Berliner Mobilitätsgesetz (MobG) – mit Begründungen

Erlassen als Artikel 1 des

– Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mobilitätsgewährleistung –


Übersicht:

Berliner Mobilitätsgesetz (MobG)

Abschnitt 1: Zielorientierte integrierte Mobilitätsgewährleistung für Berlin
Abschnitt 2: Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)
Abschnitt 3: Entwicklung des Radverkehrs
Abschnitt 4: Übergangsbestimmungen

Artikel 2–4


Chronologie:

Vorgeschichte siehe https://volksentscheid-fahrrad.de/de/gesetz/

27.2.2018 – Drucksache 18/0878 (Begründungen hieraus entnommen)

28.6.2018 – beschlossen im Abgeordnetenhaus

5.7.2018 – erlassen

17.7.2018 – verkündet im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin (pp. 464ff. ; https://www.berlin.de/sen/justiz/service/gesetze-und-verordnungen/2018/ausgabe-nr-18-vom-17-7-2018-s-461-480.pdf ; Gesetzestext hieraus entnommen)


Letzte Änderung dieses Dokuments: 30.8.2018

Verzeichnis:

Artikel 1 – Berliner Mobilitätsgesetz (MobG)

Präambel

Abschnitt 1: Zielorientierte integrierte Mobilitätsgewährleistung für Berlin

Unterabschnitt 1: Verkehrsmittelübergreifende Ziele

§ 1 Zweck des Gesetzes

§ 2 Begriffsbestimmungen

§ 3 Mobilität für alle

§ 4 Menschen- und stadtgerechter Verkehr

§ 5 Umweltverbund und Inter- sowie Multimodalität

§ 6 Stadtverträglicher Wirtschaftsverkehr

§ 7 Förderung der Stadtentwicklung

§ 8 Klima- und Umweltschutz

§ 9 Minimierung von Gesundheitsbeeinträchtigungen

§ 10 Verkehrssicherheit

§ 11 Sicherheit im öffentlichen Raum

§ 12 Gewährleistung von Mobilität bei Großveranstaltungen

§ 13 Berücksichtigung der Hauptstadtfunktionen

§ 14 Berücksichtigung der Metropolregion Berlin-Brandenburg

§ 15 Optimale Anbindung des Fernverkehrs

Unterabschnitt 2: Integrierte Verkehrsentwicklungsplanung

§ 16 Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr

§ 17 Verkehrssicherheitsprogramm

§ 18 Integriertes Wirtschaftsverkehrskonzept

§ 19 Beteiligung bei Erstellung und Umsetzung der Planwerke dieses Gesetzes

Unterabschnitt 3: Umsetzung der Ziele und Planwerke sowie Konfliktlösungsprozesse

§ 20 Umsetzung der Ziele und Planwerke durch Verwaltungshandeln

§ 21 Besondere Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit

§ 22 Störungsfreie Nutzbarkeit der Verkehrswege des Umweltverbundes sowie von Liefer- und Ladezonen

§ 23 Aufgaben und Befugnisse der Berliner Verkehrsbetriebe bei der Verkehrsüberwachung

§ 24 Bewältigung von Konfliktlagen zwischen verschiedenen Planwerken

§ 25 Bewältigung von Konfliktlagen bei der Umsetzung von Maßnahmen

Abschnitt 2: Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)

§ 26 Besondere Ziele der Entwicklung des ÖPNV

§ 27 Aufgabenträger für den ÖPNV

§ 28 Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB)

§ 29 Nahverkehrsplan

§ 30 Abschluss öffentlicher Dienstleistungsaufträge (Verkehrsverträge)

§ 31 Anforderungen an Haltestellen und Stationen des ÖPNV

§ 32 Erhalt, Modernisierung und Ausbau der Schienenverkehrsinfrastruktur

§ 33 Anforderungen des ÖPNV an die Straßenverkehrsinfrastruktur

§ 34 Vermeidung von Störungen bei Bus und Straßenbahn

§ 35 Finanzierung des ÖPNV

Abschnitt 3: Entwicklung des Radverkehrs

§ 36 Besondere Ziele der Entwicklung des Radverkehrs

§ 37 Aufgaben und Zuständigkeiten für den Radverkehr

§ 38 Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Radverkehr

§ 39 Planung, Verkehrsführung und Information bei Baumaßnahmen

§ 40 Aufstellung und Fortschreibung Radverkehrsplan

§ 41 Berliner Radverkehrsnetz

§ 42 Vorrangnetz und prioritärer Umsetzungsbedarf

§ 43 Radverkehrsanlagen an oder auf Hauptverkehrsstraßen

§ 44 Fahrradstraßen und Nebenstraßen im Radverkehrsnetz

§ 45 Radschnellverbindungen

§ 46 Öffnung von Einbahnstraßen und Sackgassen für den Radverkehr

§ 47 Fahrradabstellanlagen

§ 48 Erhalt und Sanierung Radverkehrsnetz

§ 49 Finanzierung der Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs

Abschnitt 4: Übergangsbestimmungen

§ 50 Übergangsbestimmungen

Artikel 2 – Änderung des Berliner Straßengesetzes

Artikel 3 – Aufhebung des ÖPNV-Gesetzes

Artikel 4 – Inkrafttreten

Artikel 1 – Berliner Mobilitätsgesetz (MobG)

Präambel

    Dieses Gesetz schafft die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine in allen Teilen Berlins gleichwertige, an den Mobilitätsbedürfnissen von Stadt und Umland ausgerichtete, individuelle Lebensgestaltung, unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen und persönlichen Mobilitätsbeeinträchtigungen sowie von Lebenssituation, Herkunft oder individueller Verkehrsmittelverfügbarkeit. Die durch dieses Gesetz geregelte Mobilität umfasst die besonderen Anforderungen aller Mobilitätsgruppen, diejenigen der Fußgänger und Fahrradfahrer, des öffentlichen Personennahsowie des Wirtschaftsverkehrs und des motorisierten Individualverkehrs, und sichert dabei den Vorrang des Umweltverbundes. Das Gesetz regelt für alle Mobilitätsgruppen die besonderen Ziele der Entwicklung, die Aufgaben und Zuständigkeiten, die Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, die Planung, Verkehrsführung und Information bei Baumaßnahmen, die Vorrangnetze sowie Erhalt, Sanierung und Finanzierung der jeweiligen Anlagen.

Begründung zum Artikelgesetz

Die Mobilitätsbedürfnisse von Menschen und die Bedürfnisse einer anspruchsvollen Logistik verändern sich mit der Entwicklung der Stadt, den demographischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie den individuellen Einstellungen. Die Mobilität verändert umgekehrt aber auch die Stadt und erfordert ständig neue Antworten der Politik zum Miteinander der am Verkehr Teilnehmenden und zur Gestaltung der unterschiedlichen Verkehrsmittel sowie der Erwartungen an Stadtentwicklung und -gestaltung und die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine wachsende Stadt.

Technische Innovationen verändern die Attraktivität und Leistungsfähigkeit bestehender Verkehrsmittel und führen zur Etablierung neuer Angebote. Es ist für die politisch Verantwortlichen daher für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Stadt und der Bewahrung der Attraktivität für Ihre Bewohnerinnen und Bewohner, Zuziehenden und Besucherinnen und Besucher elementar, mit neuen, an den veränderten Erwartungen der Menschen und der Wirtschaft orientierten regulatorischen Rahmensetzungen zu reagieren. Hierzu erlässt Berlin als erstes Bundesland ein eigenständiges Mobilitätsgesetz, das eine Antwort auf die gesellschaftlichen Fragen zur Klärung der offensichtlichen Konkurrenzsituation im Bereich Verkehr führt.

Eine rechtliche Grundlage zur Entwicklung von Mobilität und Verkehr gab es auf Landesebene bislang nur für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Mit diesem Gesetz wird eine Grundlage für die Weiterentwicklung und das Zusammenwirken aller Verkehrsmittel geschaffen. Es ergänzt dabei die bestehenden bundeseinheitlichen Gesetze, Verordnungen und Planwerke, beispielsweise für die Durchführung des motorisierten Individualverkehrs, und setzt Vorgaben aus EU- und Bundesrecht in Landesrecht um.

Auf Basis von Artikel 1 dieses Gesetzes werden im Mobilitätsgesetz in Unterabschnitt 1 die generellen Ziele für die Weiterentwicklung und das Zusammenwirken aller Verkehrsmittel vorgeben. Spezifische Zielvorgaben finden sich jeweils in den verkehrsmittelspezifischen Abschnitten für den Fußverkehr und ‚Intelligente Mobilität‘ (letzteres Arbeitstitel, folgen 2018), den Radverkehr und den ÖPNV. Außerdem schaffen die Vorgaben des Gesetzes Transparenz im Verwaltungshandeln und bei der Durchführung vielfältiger Abwägungsprozesse, insbesondere zur Herstellung größtmöglicher Sicherheit im Verkehr.

Das Mobilitätsgesetz bietet die Grundlage, dass auch unter geänderten Umfeldbedingungen die grundlegenden Ziele der Mobilitätsgewährleistung auf möglichst sichere und stadtverträgliche Weise sowie unter Erreichung der Umwelt- und Klimaschutzziele des Landes Berlin bewältigt werden können. Hierbei geht es in Summe um eine zukunftsfähige Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur und des öffentlichen Raums. Grundlegender Gedanke ist ein integrierter Planungsansatz, um das Verkehrssystem im Zusammenspiel aller Verkehrsträger und Verkehrsmittel zu optimieren. Soweit dieses der Erfüllung der verkehrsmittelübergreifenden Ziele dieses Gesetzes dient, soll den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes Vorrang vor dem motorisierten individuellen Straßenverkehr eingeräumt werden. Dies entwickelt die bisher schon geltende Regelung in § 2 Abs. 7 ÖPNVG, die sich nur auf den Vorrang des ÖPNV vor dem motorisierten Straßenverkehr bezog, weiter, indem mit diesem Gesetz alle Verkehrsmittel des Umweltverbundes zu betrachten sind.

Die verschiedenen Verkehrsmittel des Umweltverbundes werden jeweils durch eigene Abschnitte im Gesetz erfasst. Für den Radverkehr werden die besonderen Ziele der Entwicklung dieses Verkehrsmittels und auch die Anforderungen und Verfahren an die Planung von Maßnahmen erstmals gesetzlich fixiert. Es folgt dabei inhaltlich den Abstimmungen durchgeführten Dialogprozessen und den Festlegungen des Koalitionsvertrages. Für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wurden die Inhalte des ÖPNV-Gesetzes in angepasster und aktualisierter Form in dieses Mobilitätsgesetz überführt.

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wird ein integrierter Ansatz realisiert, der eine Passfähigkeit der verschiedenen Ansätze sicherstellt und mit Umsetzung aller Teilbausteine alle Verkehrsträger gleichermaßen berücksichtigen wird. Die noch offenen Abschnitte „Fußverkehr“ und „Intelligente Mobilität“ sowie ggf. für den Wirtschaftsverkehr werden aufbauend auf dem hier vorgelegten Gesetz nach gleicher Systematik erarbeitet.

Das Gesetz fordert darüber hinaus die Aufstellung eines Stadtentwicklungsplanes Mobilität und Verkehr (StEP Mobilität und Verkehr) sowie verbindlicher Planwerke für die Verkehrsmittel und zur Bewältigung der Anforderungen des Wirtschaftsverkehres. Diese Planwerke sollen unter Teilhabe und Beteiligung der Betroffenen erstellt werden, als Basis für Akzeptanz der verkehrsspezifischen Planwerke und der Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur. Die Wirksamkeit der Planwerke wird regelmäßig öffentlich bewertet, so dass die Grundlagen für eine Fortschreibung ebenfalls transparent sind.

Die weiteren Artikel 2-4 beinhalten notwendige Folgeänderungen zu Artikel 1.

Abschnitt 1: Zielorientierte integrierte Mobilitätsgewährleistung für Berlin

Unterabschnitt 1: Verkehrsmittelübergreifende Ziele

§ 1 Zweck des Gesetzes

(1)    Zweck dieses Gesetzes ist die Bewahrung und Weiterentwicklung eines auf die Mobilitätsbedürfnisse in Stadt und Umland ausgerichteten und dabei stadt-, umwelt-, sozial- sowie klimaverträglich ausgestalteten, sicheren, barrierefreien Verkehrssystems als Beitrag zur individuellen Lebensgestaltung und zur inklusiven Lebensraumgestaltung sowie als unverzichtbarer Bestandteil einer funktionierenden zukunftsfähigen Metropolregion. Zweck des Gesetzes ist zudem die Gewährleistung gleichwertiger Mobilitätsmöglichkeiten in allen Teilen Berlins. Damit soll für alle Personen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben abgesichert werden.

(2)    Zur Erreichung des in Absatz 1 genannten Zweckes sollen die verschiedenen Verkehrsmittel mit ihren spezifischen Stärken zum Einsatz kommen, um das Gesamtsystem im Hinblick auf die Anforderungen der Zukunft zu optimieren.

(3)    Das Land Berlin verfolgt das Ziel, sich weiter als Innovations- und Entwicklungsraum zu etablieren und innovative Mobilitätskonzepte und Verkehrsangebote zu erproben und zu nutzen.

(4)    Das Land Berlin verfolgt im Rahmen des geltenden Rechts die in den nachfolgenden §§ 3 bis 15 formulierten Ziele bei der Aufstellung und Umsetzung der in diesem Gesetz geregelten Planwerke.

Begründung zu Unterabschnitt 1

Die allgemein gehaltene Zielbestimmung in § 1 wird durch die nachfolgenden Regelungen des Gesetzes konkretisiert. Die Gewährleistungsverantwortung in der Soll-Vorschrift des §1 schließt nicht aus, dass in Folge bestimmter Wetterlagen - insbesondere bei Schnee, Eisglätte und Blitzeis - Einschränkungen hingenommen werden müssen.

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1)    Für die Zwecke dieses Gesetzes gelten die in den nachfolgenden Absätzen geregelten Begriffsbestimmungen.

(2)    Berechtigungsausweise sind papiergebundene oder digitale Fahrausweise nach den Tarifen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie entsprechende Zugangsmedien für Angebote geteilter Mobilität.

(3)    Geteilte Mobilität („Sharing“) im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet

1.    die privat organisierte oder durch Dritte vermittelte Nutzung von Fahrzeugen durch mehrere Personen unterschiedlicher Haushalte, ohne dass durch die nutzenden Personen Eigentumsrechte an dem Fahrzeug erworben werden müssten;

2.    die private oder durch Dritte vermittelte Bildung von Fahrgemeinschaften nicht gewerblicher Art, die für die beförderten Personen unentgeltlich sind oder für die von den beförderten Personen ein Entgelt bis zur Grenze der Betriebskosten der Fahrt im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 1 des Personenbeförderungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1990 (BGBl. I S. 1690), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 14 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung geleistet wird.

(4)    Intermodalität bezeichnet die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel im Personen- oder Güterverkehr in Bezug auf den Weg zwischen zwei Aktivitäten.

(5)    Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sind Personen, die auf Grund einer dauerhaften oder zeitweiligen motorischen, sensorischen, geistigen oder seelischen, alternsbedingten oder sonstigen Form der Beeinträchtigung in Wechselwirkung mit verschiedenen, insbesondere einstellungs- und umweltbedingten, Barrieren in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.

(6)    Barrierefrei im Sinne dieses Gesetzes sind bauliche Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen im Sinne von Absatz 5 in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Eine besondere Erschwernis liegt insbesondere auch dann vor, wenn Menschen mit Behinderungen die Mitnahme oder der Einsatz benötigter Hilfsmittel verweigert oder erschwert wird.

(7)    Modal Split ist die Aufteilung der Wege auf die verschiedenen Verkehrsmittel.

(8)    Motorisierter Individualverkehr (MIV) ist die Fortbewegung mit motorisierten Fahrzeugen, bei denen Nutzende in der Bestimmung der Zeit und der Route der Fahrt frei sind.

(9)    Multimodalität bezeichnet die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel im Personen- oder Güterverkehr in Bezug auf einen bestimmten Zeitraum.

(10)    Verkehrsmittel sind öffentlich zugänglich, wenn sie bestimmungsgemäß von der Allgemeinheit durch Mitführen von vorher erworbenen Berechtigungsausweisen oder durch unmittelbare Bezahlung der Fahrt genutzt werden können.

(11)    Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) umfasst die öffentlich zugänglichen Verkehrsmittel gemäß § 8 Absatz 1 des Personenbeförderungsgesetzes einschließlich flexibler Bedarfsverkehre nach § 8 Absatz 2 oder § 2 Absatz 6 des Personenbeförderungsgesetzes (ÖPNV nach Personenbeförderungsgesetz) sowie den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Zum ÖPNV gehören auch der Fähr- sowie Seilbahnverkehr, soweit in Umsetzung der Ziele der §§ 3 bis 15 die Sicherung eines bestimmten Angebotes im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

(12)    Schienenpersonennahverkehr (SPNV) ist die allgemein zugängliche Beförderung in Zügen gemäß § 2 Absatz 12 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2396; 1994 I S. 2439), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808; 2018 I S. 472) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

(13)    Umweltverbund umfasst die Verkehrsmittel Fußverkehr, Radverkehr und ÖPNV.

(14)    Verkehrsangebote umfassen die Angebote öffentlich zugänglicher Verkehrsmittel.

(15)    Verkehrsinfrastruktur umfasst alle Einrichtungen, die Voraussetzungen für den Einsatz von Verkehrsmitteln sind (zum Beispiel: Straßen, Schienen, Tunnel, Haltestellen, Parkplätze).

(16)    Verkehrssystem umfasst die für den Verkehr notwendigen Infrastrukturen, Verkehrsmittel sowie Leitsysteme für die Koordinierung der Verkehrsmittel.

(17)    Wirtschaftsverkehr ist die Ortsveränderung von Personen oder Gütern, die mit geschäftlicher oder dienstlicher Zielsetzung erfolgen. Wirtschaftsverkehr umfasst sowohl Personenwirtschaftsverkehr als auch den Güterverkehr zwischen Wirtschaftseinheiten. Personenwirtschaftsverkehr ist Verkehr in Ausübung des Berufes wie zum Beispiel bei Dienstreisen, Handwerkern oder Pflegediensten.

Begründung zu § 2

Im Gesetz verwendete besondere (Fach-)Begriffe werden definiert. Aufgenommen und präzisiert wurden hier die im bisherigen ÖPNV-Gesetz (§ 1 ÖPNV-Gesetz) geregelten Definitionen des ÖPNV, ÖPNV nach Personenbeförderungsgesetz und des Schienenpersonennahverkehrs (Absatz 9 und 10). Definiert werden auch jene Begriffe, die im Zusammenhang mit neueren Formen der Nutzung von Verkehrsmitteln stehen: z. B. Geteilte Mobilität („Sharing“), Intermodalität, Multimodalität oder Modal Split. Unter der geteilten Mobilität („Sharing“) fallen neben den Fahrgemeinschaften nichtgewerblicher Art (Abs. 3 Nr. 2) Formen der Selbstnutzung von Verkehrsmitteln (insbesondere Pkw und Fahrrad), die nicht im Eigentum der Nutzenden stehen (Abs. 3 Nr. 1). Hierzu gehört zum Beispiel das gewerbliche „Carsharing“, die private gemeinsame Nutzung eines Kraftfahrzeugs durch Personen mehrerer Haushalte oder das gewerbliche „Bikesharing“.

§ 3 Mobilität für alle

    Mobilität in Berlin soll bezogen auf die wesentlichen Wegezwecke

    1.    an allen Tagen des Jahres und rund um die Uhr

    2.    in allen Teilen Berlins gleichwertig und

    3.    unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen und persönlichen Mobilitätsbeeinträchtigungen sowie von Lebenssituation, Herkunft oder individueller Verkehrsmittelverfügbarkeit

    gewährleistet werden.

Begründung zu § 3

„Mobilität für alle“ thematisiert die Chance auf Teilhabe an der Gesellschaft durch Erfüllung der Mobilitätsbedürfnisse und wird damit

•    ein Ziel, das durch Berücksichtigung im StEP Mobilität und Verkehr konkretisiert wird und

•    eine Vorgabe für transparentes Verwaltungshandeln. Im Zielbezug wird zwischen Mobilität und Verkehr differenziert. Bezogen auf die Mobilität steht die Gewährleistungsverantwortung im Vordergrund.

§ 4 Menschen- und stadtgerechter Verkehr

(1)    Die Mobilitätsangebote, die Verkehrsinfrastruktur sowie die verkehrsorganisatorischen Abläufe werden unter Beachtung des Nutzungsverhaltens an den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen und den Verkehrsbedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs ausgerichtet. Es wird sichergestellt, dass Einwohnerinnen und Einwohner in allen Teilen Berlins über ein gleichwertiges ÖPNV-Angebot verfügen.

(2)    Verkehrsinfrastruktur und Mobilitätsangebote sollen zur Gewährleistung gleichwertiger Lebensbedingungen, insbesondere für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, barrierefrei im Sinne von § 2 Absatz 6 gestaltet werden.

(3)    Durch die Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur und durch möglichst geringe Rauminanspruchnahme des fließenden und ruhenden Verkehrs soll die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums und die Lebensqualität in der Stadt verbessert werden.

(4)    Bei der Umgestaltung vorhandener Verkehrsinfrastruktur soll neben ihrer funktionalen die soziale, stadtkulturelle, architektonische,denkmalpflegerische,historische oder klimawirksame Bedeutsamkeit berücksichtigt werden.

(5)    Bei Neuanlage und grundlegender Umgestaltung von Straßen und Plätzen soll geprüft werden, ob und inwieweit diese nach Zweckbestimmung und Ausgestaltung als Ort der Begegnung, des Verweilens, der Erholung, der Kommunikation und des Spielens genutzt werden können.

Begründung zu § 4

„Menschen- und stadtgerechter Verkehr“ statt einer verkehrsgerechten Stadt nimmt sich der Frage der Dimensionierung und Ausgestaltung des öffentlichen Raums an. Das Ziel der inklusiven Barrierefreiheit ist Regelungsgegenstand des Landesgleichberechtigungsgesetzes (vgl. § 4a Landesgleichberechtigungsgesetz). Dessen Vorgaben haben Vorrang vor den Anforderungen des Mobilitätsgesetzes. Das Mobilitätsgesetz kann insoweit keine eigenen Ziele setzen. Die Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung der Infrastruktur und Angebote werden in anderen Paragraphen bzw. den verkehrsmittelspezifischen Planwerken (bspw. für den ÖPNV) formuliert, für die Zielstellung wurde an dieser Stelle eine etablierte Formulierung aus § 4 Behindertengleichstellungsgesetz („grundsätzlich ohne fremde Hilfe“) übernommen, die den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht.

Um- und Neugestaltungen mit dem Ziel Orte der Begegnung, des Verweilens, der Erholung, der Kommunikation und des Spielens zu schaffen und auch Mittel für deren Nutzung zur Verfügung zu stellen, werden im Abschnitt Fußverkehr konkreter diskutiert und geregelt werden.

§ 5 Umweltverbund und Inter- sowie Multimodalität

(1)    Durch Steigerung der Leistungsfähigkeit und Attraktivität der Verkehre des Umweltverbundes soll dessen Anteil an den zurückgelegten Wegen gesteigert werden.

(2)    Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind verlässliche und bezahlbare Mobilitätsangebote insbesondere bei wachsenden Einwohnerzahlen und steigender Beschäftigung von besonderer Bedeutung. Daher sollen attraktive Job-Tickets für den ÖPNV gefördert sowie Initiativen unterstützt werden, die sich dafür einsetzen, dass für Wege vom und zum Arbeitsplatz das Fahrrad genutzt wird.

(3)    Die verschiedenen Verkehrsmittel des Umweltverbundes einschließlich ihrer Infrastruktur sollen so gestaltet werden, dass sie einander optimal ergänzen. Dieses betrifft insbesondere die Ausgestaltung der Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und ihres Umfeldes, vor allem in Bezug auf Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Nutzbarkeit, Beschilderung, Information sowie Abstellmöglichkeiten.

(4)    Öffentlich zugängliche Verkehrsmittel des Umweltverbundes sowie den Umweltverbund ergänzende öffentlich zugängliche Angebote geteilter Mobilität sollen möglichst mit einheitlichen, multimodal nutzbaren Berechtigungsausweisen nutzbar sein. Eine weitergehende tarifliche und vertriebliche Integration der öffentlich zugänglichen Verkehrsmittel des Umweltverbundes ist anzustreben.

(5)    Die Verfügbarkeitsdaten aller öffentlich zugänglichen Verkehrsmittel sollen in Echtzeit für eine nicht kommerzielle Nutzung kostenlos zur Verfügung stehen und für internetbasierte, nicht kommerzielle Anwendungen nutzbar sein. Die kommerzielle Nutzung setzt voraus, dass im Gegenzug der Nutzer selbst generierte oder zur Verfügung stehende Verfügbarkeitsdaten seinerseits ebenfalls in Echtzeit kostenlos für alle und maschinenlesbar zur Verfügung stellen muss.

Begründung zu § 5

Die Zielvorgabe, den Umweltverbund und die Multimodalität zu steigern, ist wesentliche Voraussetzung für die Erreichung der verkehrs- und umweltpolitischen Ziele und Vorgabe für die weiteren Gesetzesteile. Zur Inter- und Multimodalität zählt die Nutzung und Kombination aller Verkehrsmittel. Diese sind zu unterstützen, sofern sie zu einer geringeren Verkehrsbelastung beitragen. Aus der Zielvorgabe des § 5 leiten sich die spezifischen Ziele für die einzelnen Verkehrsmittel ab. Die genaue Ausprägung zur Erreichung dieses Zieles kann bei Bedarf in den erforderlichen Planwerken erarbeitet und verabschiedet werden. Einheitliche, multimodal nutzbare, Berechtigungsausweise umfassen zum Beispiel Mobilitätskarten oder über Smartphone-Applikationen nutzbare Beförderungsangebote („Mobilitäts-Apps“).

§ 6 Stadtverträglicher Wirtschaftsverkehr

(1)    Die Stadtverträglichkeit und Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsverkehrs wird gewährleistet und verbessert. Dies schließt die Sicherung des Zugangs zu Quellen und Zielen des Wirtschaftsverkehrs, das Vorhalten von Verkehrsnetzen und die Bereitstellung einer modernen Infrastruktur ein, welche die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt befördert.

(2)    Verkehrsbedingte Beeinträchtigungen von Klima, Umwelt und Gesundheit sollen reduziert und der Wirtschaftsverkehr für das jeweilige Umfeld verträglich abgewickelt werden. Dazu sind logistische, fahrzeugseitige, regulatorische und verkehrsorganisatorische Maßnahmen vorzusehen.

(3)    Strecken und Infrastrukturen für Groß- und Schwerlasttransporte sollen gemäß der Aufkommensschwerpunkte und der erforderlichen Routen vorgehalten werden. Großraum- und Schwerlastverkehr ist dabei stadtverträglich abzuwickeln. Bei der Ansiedlung von Industrieproduktion ist die Realisierbarkeit einer Schienen- oder Wasserstraßenanbindung zu prüfen. Die Prüfung umfasst die Umweltverträglichkeit der verschiedenen Anbindungsalternativen.

Begründung zu § 6

Wirtschaftsverkehr stellt einen eigenen Bereich dar und stellt die Erreichbarkeit der Wirtschaftsstandorte und die stadtverträgliche Abwicklung dieses wachsenden Verkehrssegmentes in den Vordergrund. Hiermit wird eine grobe Orientierung für Fragen des Wirtschaftsverkehrs gegeben, die genaue Ausgestaltung dieser Ziele ist aber den weiteren Konkretisierungen der zu erarbeitenden Planwerke vorbehalten. Somit kann in einem partizipativen Verfahren auf aktuelle Anforderungen und Entwicklungen im Wirtschaftsverkehr reagiert werden.

§ 7 Förderung der Stadtentwicklung

(1)    Stadtplanung soll darauf hinwirken, dass gemischte Stadtquartiere erhalten und weiter ausgebaut werden, um räumliche Nähe von Einrichtungen und damit die Integration der Lebens-, Arbeits-, Bildungs-, Sozial- und Freizeitzusammenhänge innerhalb der Metropolregion Berlin-Brandenburg zu unterstützen und den Verkehrsaufwand zu verringern. Die Erfordernisse des Wirtschaftsverkehrs sind bei der Entwicklung von neuen Stadtquartieren, Verkehrsangeboten und Verkehrsinfrastrukturen zu berücksichtigen.

(2)    Mobilitätsangebote und Verkehrsinfrastruktur sollen im Einklang mit den Erfordernissen der nachhaltigen Stadtentwicklung gestaltet werden. Dabei sind folgende Aspekte besonders zu berücksichtigen:

1.    Die polyzentrische Stadtstruktur Berlins ist zu sichern und weiter zu entwickeln.

2.    Die Erreichbarkeit bestehender Quartiere und Zentren sowie deren innere Erschließung ist zum Zwecke sozialer Teilhabe in ganz Berlin mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes zu sichern.

3.    Bei Erweiterung und Neubau von Quartieren ist mit dem Ziel einer lebenswerten, verkehrssicheren, klimaneutralen Stadt die vorrangige Erschließung mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes zu sichern.

4.    Förmlich beschlossene Entwicklungsmaßnahmen sowie vom Senat beschlossene städtebauliche Entwicklungen sind in den Planwerken nach diesem Gesetz prioritätsgerecht zu berücksichtigen.

Begründung zu § 7

Die „Förderung der Stadtentwicklung“ und die Anforderungen an die Stadtstruktur sind hervorgehoben, denn die in den nachfolgenden Absätzen ausgestalteten Ziele zu Erreichbarkeit, Umwelt, Gesundheit etc. sind auch Ziele der Stadtentwicklung. Sie sind wesentliche Grundlage für die Möglichkeit, eine integrierte Stadtplanung mit dem Ziel „kurze Wege“ umzusetzen, und damit Voraussetzung für nachhaltige Verkehrsentwicklung sowie zur Steigerung der Nutzung der Verkehrsmittel des Umweltverbunds.

§ 8 Klima- und Umweltschutz

(1)    Verkehrsbedingte Beeinträchtigungen von Klima und Umwelt sollen durch Verlagerung von Nachfrage auf die Verkehrsmittel des Umweltverbundes sowie durch den Einsatz umweltfreundlicher Technologien so reduziert werden, dass die verkehrsspezifischen Umweltziele sowie die Klimaschutzziele des Landes Berlin zur Umsetzung des Übereinkommens von Paris vom 12. Dezember 2015 (BGBl. 2016 II S. 1082) erreicht werden. Die vorstehenden Maßnahmen sollen somit einen angemessenen Beitrag dazu leisten, den globalen Temperaturanstieg gemäß dem Pariser Klimaabkommen zu begrenzen.

(2)    Verkehr und Verkehrsinfrastruktur sollen ressourcenschonend und stadtökologisch nachhaltig gestaltet werden.

(3)    Bei Maßnahmen innerhalb des öffentlichen Straßenlands soll der Erhalt und die Ausweitung des Bestandes von Bäumen, Sträuchern, Grün- und Blühstreifen sowie nicht versiegelter Flächen angestrebt werden.

§ 9 Minimierung von Gesundheitsbeeinträchtigungen

Verkehrsbedingte Gesundheitsbeeinträchtigungen sollen vermieden werden. Dieses betrifft insbesondere Luftschadstoff- und Lärmbelastungen.

Begründung zu §§ 8 und 9

Die spezifischen Vorgaben und Ziele zum Umwelt- und Klimaschutz sowie zum Gesundheitsschutz ergeben sich aus den einschlägigen Fachgesetzen bzw. Normen (z.B. Energiewende-Gesetz; Baumschutz VO) bzw. den einschlägigen Fachplanungen (z.B. Lärmminderungs- und Schadstoffminderungspläne, Berliner Energie und Klimaschutzprogramm). Diese Vorgaben gelten aus sich heraus auch für den Bereich Verkehr. Die Zielstellung in Absatz 6 ist insoweit nur deklaratorischen Inhalts. Sie sichert allerdings auch ab, dass bei der Erstellung von Plänen und der Umsetzung von Maßnahmen diese Ziele auch berücksichtigt werden. Sie greift die Normen und Pläne weder dem Wortlaut noch der Bezeichnung nach auf, um insoweit offen für sich ändernde Fachgesetze zu sein. Umweltschutz und Minimierung von Gesundheitsbeeinträchtigungen wurden bewusst gesondert adressiert, weil sie derzeit in der Gesetzgebung einen besonderen Fokus innehaben, und damit auch in einem Landesgesetz adressiert sein sollten.

§ 10 Verkehrssicherheit

(1)    Alle Menschen sollen unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel sicher an ihrem Ziel ankommen.

(2)    Gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt zwischen allen am Verkehr Teilnehmenden sind als wesentliche Grundlagen der Verkehrssicherheit zu fördern.

(3)    Ziel ist, dass sich im Berliner Stadtgebiet keine Verkehrsunfälle mit schweren Personenschäden ereignen. Diese „Vision Zero“ ist Leitlinie für alle Planungen, Standards und Maßnahmen mit Einfluss auf die Entwicklung der Verkehrssicherheit.

Begründung zu § 10

Ziel ist, dass sich im Berliner Stadtgebiet keine Verkehrsunfälle mit schweren Personenschäden ereignen. Dieser Idealzustand („Vision Zero“) ist Leitlinie für alle Planungen, Standards und Maßnahmen mit Einfluss auf die Entwicklung der Verkehrssicherheit. Das Ziel ist bereits im Verkehrssicherheitsprogramm adressiert und bleibt anspruchsvoll.

§ 11 Sicherheit im öffentlichen Raum

Bei Planung und Ausgestaltung von Verkehrsangeboten und Verkehrsinfrastruktur ist das Sicherheitsempfinden der Menschen zu beachten und deren persönliche Sicherheit zu verbessern. Die besonderen Schutzbedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sind zu berücksichtigen. Zur Vermeidung von Unsicherheitsgefühlen sollen die subjektiven Wahrnehmungen der Menschen durch Mittel der Kriminalprävention und durch planerische Gestaltungen unter Sicherheitsaspekten positiv beeinflusst werden.

Begründung zu § 11

Bei der „sozialen Brauchbarkeit“ handelt es sich um einen Fachbegriff aus der Straßenraumgestaltung. Soziale Brauchbarkeit beschreibt die sichere Nutzbarkeit des Straßenraums für alle sozialen Gruppen. Darunter fallen u.a. Aspekte wie die Vermeidung von Raumstrukturen, die Straftatbestände begünstigen (städtebauliche Kriminalprävention), oder die barrierefreie Gestaltung von Straßenräumen. Hieraus ergeben sich zwei Anforderungen an den öffentlichen Raum:

•    Materielle Ansprüche (funktionale Anforderungen) verkehrliche, versorgungstechnische, wirtschaftliche, ökologische Ansprüche

•    Immaterielle Ansprüche (gestalterische Anforderungen) Orientierung, Identität, soziale Brauchbarkeit, Anregung, Identifikation, Schönheit

§ 12 Gewährleistung von Mobilität bei Großveranstaltungen

(1)    Die Verkehrsangebote des Umweltverbundes und dabei insbesondere des ÖPNV sollen so ausgelegt werden, dass bei mittelfristig planbaren Veranstaltungen mit besonders hoher Anzahl von Teilnehmenden (Großveranstaltungen) auf Basis geeigneter Konzepte des Veranstalters sowohl die mit der Veranstaltung verbundenen Mobilitätsbedürfnisse als auch die weiterhin vorhandenen Bedürfnisse der Alltagsmobilität zufriedenstellend erfüllt werden können. Dabei soll vermieden werden, dass Veranstalter von Straßenfesten umfangreiche Planungen im Vorfeld durchführen müssen.

(2)    Um Großveranstaltungen verkehrssicher und ohne übermäßige Belastungen im fließenden und ruhenden Verkehr zu bewältigen, sollen deren An- und Abreiseverkehre überwiegend mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes erfolgen. Dazu soll den Teilnehmenden von der Veranstalterin oder dem Veranstalter eine möglichst unkomplizierte ÖPNV-Nutzung über die Eintrittskarte, insbesondere in Form von Kombitickets, ermöglicht werden.

(3)    Die Konzepte des Veranstalters für den Verkehr bei Großveranstaltungen sollen bei Bedarf besondere Prioritäten hinsichtlich Flächenfreihaltung und Verkehrslenkung vorsehen.

(4)    Für kurzfristig angesetzte Großveranstaltungen oder vergleichbare Sondersituationen sollen Maßnahmen zur Absicherung eines ausreichenden Mindestangebotes im Sinne der Zielstellung nach Absatz 1 vorgesehen werden.

Begründung zu § 12

Bei Großveranstaltungen, beispielsweise einem Kirchentag, der Finalspiele einer Fußball-Weltmeisterschaft oder Großdemonstrationen, ist das Zusammenspiel des gesamten Verkehrssystems gefordert und bei den Planungen daher besonders zu berücksichtigen. Konkrete Priorisierungen zur Bewältigung der zusätzlichen Nachfrage (z.B. im ÖPNV), für den ruhenden und den fließenden Verkehr sind in den Verkehrskonzepten der Veranstaltungen ebenso vorzusehen wie die Berücksichtigung der Basisverkehre.

Bei Straßenfesten wird es sich im Regelfall nicht um Großveranstaltungen im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 MobG handeln und bereits insofern die Vorlage eines Konzeptes durch den Veranstalter entbehrlich sein. Die Regelung in §12 Abs. 1 Satz 2 bezieht sich somit auf kleine Veranstaltungen.

§ 13 Berücksichtigung der Hauptstadtfunktionen

Bei der Gestaltung des Verkehrssystems sowie bei der Planung und Kommunikation der Verkehrsangebote sollen die Anforderungen berücksichtigt werden, die sich aus der Funktion Berlins als Hauptstadt sowie aus der Entwicklung als national bedeutender und international wettbewerbsfähiger Wirtschafts-, Messe-, Kongress-, Forschungs-, Hochschul-, Tourismus- und Kulturstandort ergeben.

§ 14 Berücksichtigung der Metropolregion Berlin-Brandenburg

(1)    Die Anforderungen, die sich aus der Lage Berlins im gemeinsamen Verkehrsraum der Metropolregion Berlin-Brandenburg und insbesondere aus den Mobilitätsbedürfnissen im Stadt-Umland-Zusammenhang ergeben, sollen im Sinne einer integrierten Angebots- und Netzentwicklung und mit dem Fokus auf die Verkehrsmittel des Umweltverbundes berücksichtigt werden. Insbesondere bei den Wegen von Pendlerinnen und Pendlern sollen die Verkehrsmittel des Umweltverbundes von der Quelle an zum Einsatz kommen. Dazu sollen gemeinsame Strukturen und die Abstimmung von Planungen weiterentwickelt werden. Gemeinsame Anstrengungen und ein abgestimmtes Vorgehen zwischen den beiden Ländern sollen insbesondere bei sich besonders dynamisch entwickelnden Räumen sichergestellt werden.

(2)    Den Verkehren des Umweltverbundes soll daher im Stadt-Umland-Bereich bei Ausbau und Finanzierung Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden.

§ 15 Optimale Anbindung des Fernverkehrs

Fernbahnhöfe und Flughäfen sind als Mobilitätsknoten adäquat zu ihrer Mobilitätsbedeutung und zum spezifischen Fernverkehrsfahrgastaufkommen in die Netze des öffentlichen Personennahverkehrs und des Radverkehrs einzubinden und mit öffentlich zugänglichen Verkehrsmitteln zu erschließen.

Begründung zu §§ 14 und 15

Die Hauptstadtfunktion und die Bedeutung des Tourismus sind Aspekte, die bei den Planungen des Verkehrssystems zu unterstellen sind. Das Gesetz nimmt bei der Frage der Verkehrsverflechtungen in der Region eine Differenzierung vor, weil mit der Auseinandersetzung mit den Mobilitätsbedürfnissen klassischer Pendler in der Metropolregion und den spezifisch nahräumlichen Mobilitätsbedürfnissen im Stadt- Umlandverkehr – häufig im geschlossenen Siedlungszusammenhang – sehr unterschiedliche Aufgaben verbunden sind. Der Vorrang des Umweltverbunds bei Ausbau und Finanzierung soll erfolgen, soweit dies im Rahmen der Möglichkeiten ist.

Ein spezielles Augenmerk bei der Abstimmung zwischen Berlin und Brandenburg erfordern die sich besonders dynamisch entwickelnden Räume in der Nähe der Landesgrenze wie beispielsweise Schönefeld, die östlichen Korridore, Buch, Falkensee oder Golm, damit frühzeitig Kapazitätsengpässe behoben und neue Bedarfe erfüllt werden können.

Die Konkretisierung der Maßnahmen zur Umsetzung aller Ziele (inkl. Umweltziele) erfolgt entsprechend den nach diesem Gesetz geplanten Maßnahmen zunächst im Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr sowie ggf. verkehrsmittelbezogen in den nachgeordneten Planwerken, z.B. dem Radverkehrsplan oder dem Nahverkehrsplan.

Unterabschnitt 2: Integrierte Verkehrsentwicklungsplanung

§ 16 Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr

(1)    Der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr (StEP Mobilität und Verkehr) ist Grundlage aller verkehrsspezifischen Planungen. Er bewältigt insbesondere die in den §§ 3 bis 15 benannten Ziele der Mobilitätsgewährleistung in integrierter, verkehrsmittelübergreifender Betrachtung. Entsprechend dem in § 1 Absatz 1 geregelten Zweck des Gesetzes und dem in § 3 geregelten Ziel, Mobilität für alle Menschen zu gewährleisten, inkludieren der StEP Mobilität und Verkehr und die in Absatz 6 genannten Planwerke die Sicherung der Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen.

(2)    Der StEP Mobilität und Verkehr konkretisiert verkehrsmittelspezifische Handlungsziele unter anderem für

1.    den Modal Split,

2.    die Verkehrssicherheit sowie

3.    den Gesundheits-, Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz.

Die verkehrsmittelspezifische Konkretisierung der Handlungsziele kann vom StEP Mobilität und Verkehr unter Vorgabe der Planungsannahmen auch den separaten Planwerken gemäß Absatz 6 vorbehalten werden.

(3)    Der StEP Mobilität und Verkehr entwickelt Qualitätsziele insbesondere für Erhalt, Modernisierung und Erweiterung der Verkehrsinfrastruktur und legt ein Vorrangnetz des Straßenverkehrs fest.

(4)    Der StEP Mobilität und Verkehr wird auf Vorlage der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung vom Senat beschlossen. Er ist dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis zu geben.

(5)    Alle zwei Jahre ist ein Fortschrittsbericht zur Umsetzung vorrangiger Maßnahmen zu erarbeiten. Mit Vorliegen quantitativer Erkenntnisse aus regelmäßig durchzuführenden Befragungen der Wohnbevölkerung und Zählungen ist ein Evaluationsbericht zu fertigen, der über die Erreichung der mit dem StEP Mobilität und Verkehr beschlossenen Qualitäts- und Handlungsziele und die Umsetzung der in ihm enthaltenen Maßnahmen berichtet. Auf Grundlage des Fortschritts- oder des Evaluationsberichts ist über den Bedarf einer Fortschreibung des StEP Mobilität und Verkehr zu entscheiden. Die Fortschreibung hat spätestens nach zehn Jahren zu erfolgen.

(6)    Auf Basis der vom StEP Mobilität und Verkehr gesetzten Qualitäts- und Handlungsziele sind in separaten verkehrsspezifischen Planwerken Maßnahmen, Anforderungen, Standards und Vorgaben zur Erreichung dieser Ziele zu entwickeln. Soweit der StEP Mobilität und Verkehr keine weitergehenden Festlegungen trifft, handelt es sich um folgende separate Planwerke:

1.    den Fußverkehrsplan,

2.    den Radverkehrsplan,

3.    den Nahverkehrsplan.

In den separaten Planwerken werden zudem Handlungsziele und Finanzierungsbedarfsschätzungen für die für das jeweilige Verkehrsmittel systemrelevanten Modernisierungs- und Erweiterungsmaßnahmen der Verkehrsinfrastruktur entwickelt. Diese unterscheiden kurz-, mittel- und langfristige Zielhorizonte. Der Senat kann gemäß § 13a des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes in der Fassung vom 22. Juli 1996 (GVBl. S. 302, 472), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 16. März 2018 (GVBl. S. 186) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, bei Bedarf Maßnahmen, Anforderungen, Standards und Vorgaben im StEP Mobilität und Verkehr sowie in den separaten Planwerken ausweisen, deren Umsetzung im dringenden Gesamtinteresse Berlins liegt. In dem Beschluss des betreffenden Planwerks ist darauf gesondert hinzuweisen.

Begründung zu § 16

Dem Verkehrsentwicklungsplan (VEP) oder Mobilitätsplan, nachfolgend für Berlin neu „Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr“ (StEP Mobilität und Verkehr) genannt, kommt in einem alle Verkehrsmittel umfassenden Mobilitätsgesetz eine entscheidende Funktion zu: Er bildet als verkehrspolitisches Kursbuch das Dach der verkehrsmittelspezifischen Planungen. Er konkretisiert die verkehrsmittelspezifischen Zielvorgaben und bestimmt damit die Entwicklungsprioritäten. Aufgaben und Inhalte des StEP Mobilität und Verkehr werden auf diese Weise in einem gewissen Umfang gesetzlich vorstrukturiert.

Durch diese Vorgaben und durch die Unterfütterung mit verkehrsmittelspezifischen Planungen gewinnt er einerseits an Verbindlichkeit und verliert andererseits einen Teil seiner bisherigen inhaltlichen und prozeduralen Flexibilität. Die Randbedingungen, die die Erarbeitung und die Ausgestaltung des StEP Mobilität und Verkehr mitbeeinflussen, und Anforderungen an derartige Planwerke orientieren sich am jeweiligen Stand der Technik und können sich über die Zeit wandeln. Die zum Zeitpunkt der Erarbeitung eines Planwerks vorhandenen Anforderungen, die sich in Deutschland an Verkehrsentwicklungspläne oder aus Anforderungen der EU (vgl. SUMP-concept) ergeben, und/oder die unter anderem Grundlage zur Fördermittelgewährung sein können, müssen erfüllt ein. Folgende Anforderungen muss ein solches Planwerk nach derzeitigem Stand erfüllen:

•    Benennung von Zielen zur Sicherung der Daseinsvorsorge und für eine nachhaltige Mobilität in der Region

•    Leitbild mit einem langfristigen Zielhorizont sowie Ausweisung eines Maßnahmenplans mit Umsetzungsabsicht inkl. Angabe der Zuständigkeiten und Benennung der erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen, der anzustrebenden Situation und der Entwicklung der Maßnahmen sollten auf einer fundierten Analyse aufbauen und sich aus den jeweils aktuellen Randbedingungen bzw. der Situationen zum Zeitpunkt der Erarbeitung ergeben. Dabei sollte die Zielerreichung sofern möglich quantifiziert werden, damit neben der Umsetzungskontrolle (Monitoring) auch eine Erfolgskontrolle (Evaluation) möglich ist.

•    Ausgewogene und zielorientierte Berücksichtigung aller Verkehrsmittel mit dem Ziel einer deutlichen Förderung nachhaltiger Mobilität, wobei das Maßnahmenprogramm auch alle Handlungsfelder (siedlungsstrukturelle Maßnahmen, technische bzw. Infrastrukturmaßnahmen, ordnungsrechtliche sowie preispolitische Maßnahmen, bis hin zu sogenannten weichen Maßnahmen) umfassen soll. Dabei sollten folgende Aspekte adressiert werden: Fuß, Rad, ÖPNV, Intermodalität, Verkehrssicherheit, ruhender und fließender Straßenverkehr, Wirtschaftsverkehr und Logistik, Mobilitäts- und Verkehrsmanagement sowie Innovationen.

•    vertikale und horizontale Integration durch einen integrierten Planungsansatz, der bei der Erarbeitung eine Einbeziehung der verschiedenen Senatsverwaltungen und Planungsebenen (Hauptverwaltung und Bezirke) sicherstellt

•    Einbeziehung der wesentlichen Verwaltungen und Verwaltungsebenen, Verbände, Unternehmen und Interessenvertretungen von BürgerInnen im Erarbeitungs- und Umsetzungsprozess durch ein angemessenes Beteiligungsverfahren, z.B. über einen Stakeholder-Ansatz.

Der StEP Mobilität und Verkehr muss mindestens die Entwicklungsziele der einzelnen Verkehrsmittel im Modal Split festlegen. Die zu deren Umsetzung im Detail erforderlichen Maßnahmen könnten auch von den verkehrsmittelspezifischen Planwerken geleistet werden. Im StEP Mobilität und Verkehr werden Qualitätsziele zu verschiedenen Themenbereichen als anzustrebende Zustände qualitativ beschreiben. Zudem werden zur Erreichung von generellen Zielen konkrete und messbare sowie zeitlich bestimmte Handlungsziele festgelegt. Die Ziele müssen realistisch erreichbar sein. Insofern ist eine Rückkoppelung mit den zur Erfüllung erforderlichen Maßnahmen erforderlich. Soweit dieses auf der Ebene des StEP Mobilität und Verkehr nicht geleistet werden kann oder soll, kann insoweit auch auf die verkehrsspezifischen Planwerke verwiesen werden. In diesem Fall sollte der StEP Mobilität und Verkehr aber das Qualitätsziel beschreiben. Für bestimmte, hoch relevante Handlungsziele ist es obligatorisch, dass der StEP Mobilität und Verkehr selber konkretisiert, welchen Handlungsbeitrag zur Erreichung des Zieles von den einzelnen Verkehrsmitteln zu erreichen ist.

Eine Delegation der Konkretisierung der Handlungsziele auf die separaten Planwerke ist sinnvoll, wenn diese die Maßnahmen zur Erreichung eines spezifischen Handlungszieles selber entwickeln können. Dieses ist nicht leistbar, wenn das Gesamtziel nur im konzertierten Zusammenspiel aus Maßnahmen verschiedener Planwerke erreichbar ist. Insoweit muss in geeigneter Weise delegiert werden. Einbezogen werden müssen flankierende Vorgaben oder Prämissen. Denkbar ist auch eine Übersetzung auf eine selbständig ausfüllbare Handlungszielebene (z.B. Modal-Split-Ziel für den ÖPNV herunterbrechen auf Vorgaben zu Fahrgastzahländerungen in Relation zu demographischer Entwicklung).

Der Stadtentwicklungsplan (StEP) Mobilität und Verkehr wird vom Senat verabschiedet. Nach Verabschiedung wird alle zwei Jahre ein Fortschrittsbericht zur Umsetzung der prioritären Maßnahmen und mit Vorliegen von Daten, die eine Bewertung der Zielerreichung ermöglichen, ein Evaluationsbericht vorgelegt, der die Grundlage für eine Fortschreibungsentscheidung darstellt. Die geplanten Befragungen zum Evaluationsbericht müssen gezielt auch mobilitätsbeeinträchtigte sowie blinde und sehbeeinträchtigte Menschen ansprechen.

Die separaten Planwerke entlasten den StEP Mobilität und Verkehr um die Aufgabe der Konkretisierung verkehrsmittelspezifischer Maßnahmen und teilweise auch mit Blick auf die Entwicklung verkehrsmittelspezifischer Handlungsziele. Durch das Gesetz werden die Erarbeitung des Fußverkehrsplans, des Radverkehrsplans, des Nahverkehrsplans, das Verkehrssicherheitsprogramm und das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept vorgegeben.

Festlegungen zu Qualitäts- und Handlungszielen für weitere Planwerke, die mit dem StEP Mobilität und Verkehr beschlossen werden können, betreffen z.B.:

•    Masterplan Verkehrstelematik

•    Masterplan Parken

§ 17 Verkehrssicherheitsprogramm

(1)    Im Verkehrssicherheitsprogramm sind die weitergehenden Qualitäts- und Handlungsziele zu benennen, die aus den Zielen zur Verkehrssicherheit nach § 10 und dem StEP Mobilität und Verkehr abzuleiten sind.

(2)    Zur Erreichung der Ziele nach Absatz 1 sind im Verkehrssicherheitsprogramm auf Grundlage einer Analyse von Unfallursachen und Risikogruppen Handlungsschwerpunkte mit nachfolgenden Maßnahmen aufzuführen:

1.    Organisatorische und ordnungsrechtliche Maßnahmen,

2.    Maßnahmen zur Schulung, Information und Aufklärung,

3.    infrastrukturelle Maßnahmen sowie bauliche Standards. Hierbei sind die jeweiligen Zuständigkeiten zu benennen.

(3)    Das Verkehrssicherheitsprogramm hat in jedem Fall geeignete Maßnahmen festzulegen, die

1.    der Herstellung der Verkehrssicherheit nach wiederholt aufgetretenen schweren Unfällen,

2.    der Herstellung der Schulwegsicherheit bei konkreten Gefährdungen von Kindern dienen

und von den für Verkehrssicherheit zuständigen Stellen umzusetzen sind.

(4)    Bei Aufstellung und Umsetzung des Verkehrssicherheitsprogramms ist eine Einbeziehung der für Verkehrssicherheit zuständigen Stellen sowie relevanter Fachkreise und Verbände sicherzustellen. Übergreifende Maßnahmen sind zu koordinieren und Erkenntnisse aus Evaluationen von umgesetzten Maßnahmen sind einzubeziehen.

(5)    Das Verkehrssicherheitsprogramm ist hinsichtlich Umsetzung und Zielerreichung mindestens alle zwei Jahre zu überprüfen. Eine Fortschreibung erfolgt nach Bedarf, spätestens alle zehn Jahre.

§ 18 Integriertes Wirtschaftsverkehrskonzept

(1)    Im Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzept (IWVK) sind Qualitäts- und Handlungsziele zu benennen, die aus den Zielen zum Wirtschaftsverkehr nach § 6 abzuleiten sind.

(2)    Zur Erreichung der Ziele nach § 6 sind im Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzept bezogen auf die unterschiedlichen Handelnden sowie Problem- und Einflussbereiche des Wirtschaftsverkehrs Handlungsschwerpunkte mit folgenden Maßnahmen zu benennen:

1. Maßnahmen,die die öffentliche Hand beeinflussen kann,

2. Maßnahmen, die durch Verbände und Innungen umgesetzt oder begleitet werden,

3. Maßnahmen, die in der Verantwortung von Wirtschaftsunternehmen liegen.

(3)    Bei der Aufstellung und Umsetzung des Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzeptes ist eine Einbeziehung zuständiger Stellen und Handelnder sicherzustellen. Die Akteure sind durch die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung zu benennen und unter anderem mit den Kammern, Innungen oder Verbänden abzustimmen.

(4)    Das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept ist alle zwei Jahre hinsichtlich der Umsetzung und spätestens nach fünf Jahren hinsichtlich der Zielerreichung zu überprüfen. Eine Fortschreibung erfolgt nach Bedarf, spätestens alle zehn Jahre.

(5)    Das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept wird auf Vorlage der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung vom Senat beschlossen. Es ist dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis zu geben.

Begründung zu §§ 17 und 18

Bei Unfällen ist die Beeinträchtigung beteiligter Personen aufzunehmen, sodass besondere Risiken, denen Menschen mit Beeinträchtigung im Verkehr ausgesetzt sind, identifiziert werden und diesen Risiken im Verkehrssicherheitsprogramm gezielt entgegengesteuert werden kann.

Das Gesetz macht einheitliche Vorgaben zu Berichtspflichten für die vorgeschriebenen Planwerke.

Für den motorisierten Individualverkehr ist kein eigenes Planwerk erforderlich. Auf Basis der Vorgaben gemäß § 16 Abs. (3) zum Entwicklungs- und Erhaltungsmanagement ist insoweit kein zusätzlicher spezieller Planungsbedarf ersichtlich, der nicht durch Umsetzung bestehender Gesetze (Straßengesetze etc.) und Richtlinien in ordnungsgemäßer Verwaltungsarbeit erzielbar wäre.

§ 19 Beteiligung bei Erstellung und Umsetzung der Planwerke dieses Gesetzes

(1)    Zur Erhöhung der Transparenz und Akzeptanz der Planwerke und der daraus resultierenden Maßnahmen beteiligt die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung die Öffentlichkeit in geeigneter Weise bei Erstellung und Umsetzung des StEP Mobilität und Verkehr sowie der separaten Planwerke gemäß § 16 Absatz 6, dem Verkehrssicherheitsprogramm und dem Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzept. Anforderungen, die sich aus § 14 zur Metropolregion ergeben, sind bei der Beteiligung zu berücksichtigen.

(2)    Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist auf Mitwirkung auszurichten. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass die Interessen aller in Berlin lebenden Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen und persönlichen Mobilitätsbeeinträchtigungen sowie von Lebenssituation, Herkunft und individueller Verkehrsmittelverfügbarkeit in die Verfahren eingebracht und berücksichtigt werden.

(3)    Alltägliches Mobilitätswissen und Mobilitätserfahrungen der Bevölkerung sollen in die Erarbeitung der Planwerke Eingang finden. Fachwissen aus Politik, Verwaltung, Hochschulen, Wirtschaft und Verbänden soll wirksam in die Planung einbezogen werden.

(4)    Die verwaltungsinterne Zusammenarbeit zwischen den Senatsverwaltungen, den Bezirken sowie weiteren in Planung und Planungsumsetzung eingebundenen Handelnden ist im Sinne einer höheren Effizienz bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zu intensivieren.

(5)    Hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit ist die Zusammensetzung der Beteiligten sowie die Eignung der eingesetzten Formate und Medien regelmäßig zu prüfen.

(6)    Die Regelungen zur Beteiligung nach anderen Rechtsvorschriften bleiben von den Regelungen dieses Gesetzes unberührt.

Begründung zu § 19

Die Beteiligung bei der Umsetzung der Planwerke bedeutet, dass auch in der Umsetzungsphase über alle Maßnahmen hinweg eine Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt. Dies beinhaltet jedoch nicht die Beteiligung bei der Umsetzung einzelner Maßnahmen. Bei Beteiligungsverfahren ist auf barrierefreie Formate zu achten.

Unterabschnitt 3: Umsetzung der Ziele und Planwerke sowie Konfliktlösungsprozesse

§ 20 Umsetzung der Ziele und Planwerke durch Verwaltungshandeln

(1)    Die für Verkehr zuständigen Stellen des Landes Berlin fördern die Erreichung der in diesem Gesetz geregelten Ziele sowie die Qualitäts- und Handlungsziele des StEP Mobilität und Verkehr. Sie setzen die im StEP Mobilität und Verkehr sowie in den separaten Planwerken gemäß § 16 Absatz 6 enthaltenen Maßnahmen um und beachten die in diesen Planwerken enthaltenen Anforderungen, Standards und Vorgaben. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung kann hierzu die erforderlichen Ausführungsvorschriften erlassen. § 4 des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Dezember 2017 (GVBl. S. 664) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt hiervon unberührt.

(2)    Die im StEP Mobilität und Verkehr festgelegten Inhalte sind bei sämtlichen raumbezogenen Planwerken des Landes Berlin zu berücksichtigen. Der StEP Mobilität und Verkehr legt fest, ob und inwieweit sich dieses Berücksichtigungsgebot auch auf die separaten Planwerke gemäß § 16 Absatz 6 erstreckt.

(3)    Für die im ÖPNV-Bedarfsplan gemäß § 29 Absatz 8 dargestellten Infrastrukturvorhaben sind, sofern diese raumwirksam sind, die Trassen in Bauleitplanverfahren freizuhalten beziehungsweise bei durch andere Bedarfsträger im Straßenraum durchgeführten Planungen zu berücksichtigen. Bei Änderungen des Flächennutzungsplans sind Straßenbahntrassen in die Darstellungssystematik aufzunehmen.

(4)    Die regionale Planung, die Stadtentwicklungsplanung sowie Planungen und Entscheidungen über verkehrsrelevante Einrichtungen und Standorte haben die Erfordernisse der Verkehrsmittel des Umweltverbundes und die mit diesen verknüpften Ziele im gesamten Planungsprozess einzubeziehen und zu berücksichtigen. Für die Bauleitplanung hat eine Berücksichtigung in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 des Baugesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), in der jeweils geltenden Fassung, zu erfolgen. Die für die Erstellung von sonstigen Planwerken und Konzepten mit Verkehrsbezug zuständigen Stellen des Landes Berlin berücksichtigen bei deren Aufstellung in Abstimmung mit der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung

1.    die Folgen der geplanten Maßnahmen auf Verkehrsaufkommen und -leistung,

2.    die daraus entstehenden Anforderungen an die Gestaltung des Verkehrssystems und der Verkehrsangebote und

3.    die Konsequenzen für die Umsetzung der Ziele, Vorgaben, Anforderungen, Standards und Maßnahmen der separaten Planwerke gemäß § 16 Absatz 6 sowie von StEP Mobilität und Verkehr und Integriertem Wirtschaftsverkehrskonzept.

Sonstige Planwerke und Konzepte mit Verkehrsbezug im Sinne von Satz 3 sind insbesondere Planungen zur Weiterentwicklung Berlins als national bedeutender und international wettbewerbsfähiger Wirtschafts-, Messe-, Kongress-, Forschungs-, Hochschul- und Tourismusstandort sowie Planungen zur Weiterentwicklung der Berliner Hauptstadtfunktionen.

(5)    Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung informiert die Öffentlichkeit über die in den §§ 3 bis 15 und in den verkehrsspezifischen Planwerken formulierten Ziele, über die zur Umsetzung dieser Ziele vorgesehenen Maßnahmen und über die erreichten Ergebnisse. Mit Kommunikationsmaßnahmen unterstützt sie die Erreichung der Ziele und Maßnahmen. Die entsprechenden Planwerke können Vorgaben zu derartigen Kommunikationsmaßnahmen enthalten.

(6)    Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung ermittelt regelmäßig die wesentlichen Eckwerte zur Entwicklung des Verkehrs und ergänzt diese um kontinuierlich erhobene Zählungen zur Verkehrsentwicklung des Radverkehrs und des motorisierten Verkehrs. Über entsprechende Vorgaben in den Verkehrsverträgen gemäß § 30 ist sicherzustellen, dass möglichst kontinuierlich Informationen über die Nachfrageentwicklung im ÖPNV verfügbar sind.

(7)    Die für die Verkehrssicherheit zuständigen Stellen berücksichtigen die Ziele der §§ 10 und 11 und setzen die Maßnahmen des Verkehrssicherheitsprogrammes um. Ergänzende Vorgaben ergeben sich aus den §§ 21 und 22 sowie § 38.

(8)    Maßnahmen der separaten Planwerke gemäß § 16 Absatz 6 und weitere den Verkehrsraum beanspruchende Maßnahmen von Trägern öffentlicher Belange sind möglichst in koordinierter Weise umzusetzen. Träger öffentlicher Belange, die durch die Umsetzung einzelner Maßnahmen betroffen sein können, sind rechtzeitig über die Maßnahmen zu informieren. Zuständig dafür ist diejenige Stelle, die die Maßnahmen durchführt. Die Träger öffentlicher Belange können eigene Vorschläge für die Realisierung der Maßnahmen unterbreiten.

(9)    Für das Straßennetz und Ingenieurbauwerke wird ein gesondertes Erhaltungsmanagement aufgebaut und betrieben.

(10)    Werden durch Handeln oder Unterlassen der Bezirke bei Umsetzung der Inhalte der in § 16 Absatz 6 Satz 5 benannten verkehrsspezifischen Planwerke dringende Gesamtinteressen Berlins beeinträchtigt, kann die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung unter Beachtung der Vorgaben von § 13a Absatz 1 Satz 1 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes die Gesamtinteressen Berlins mit Hilfe ihrer Informations-, Weisungs- oder Eintrittsrechte durchsetzen. Zur aufsichtlichen Prüfung der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 20 Absatz 1 Satz 1 kann die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung von den Bezirken Auskünfte, Berichte und die Vorlage von Akten und sonstigen Unterlagen fordern. Sie kann im Einvernehmen mit der Bezirksaufsichtsbehörde Prüfungen anordnen.

(11)    Zur Umsetzung der in Vollzug dieses Gesetzes erforderlichen Aufgaben stellt das Land Berlin Ressourcen nach Maßgabe der Haushaltsgesetze zur Verfügung.

§ 21 Besondere Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit

(1)    Anzustreben ist eine selbsterklärende und verkehrssichere Verkehrsinfrastruktur, die regelkonformes Verhalten fördert und voraussetzt.

(2)    Nach jedem Unfall mit Verkehrstoten an einem Knotenpunkt soll von der für Verkehrssicherheit im betreffenden Fall zuständigen Stelle unverzüglich geprüft werden, ob Maßnahmen kurz-, mittel- und langfristig ergriffen werden können, um weitere Unfälle mit Personenschaden zu vermeiden. Dasselbe gilt für Unfälle mit schwer verletzten Personen an einem nach polizeilicher Unfallstatistik bekannten Unfallschwerpunkt oder einem Knoten, der durch diesen zusätzlichen Unfall per Definition zu einem Unfallschwerpunkt würde. Das Ergebnis der Prüfung ist im Internet zu veröffentlichen.

(3)    Im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes sollen mindestens zehn, im Folgejahr mindestens 20 und danach jährlich mindestens 30 der nach dem Merkblatt der Unfallkommission ermittelten gefährlichsten Knotenpunkte mit den höchsten Häufungen an Unfällen mit verletzten beziehungsweise schwerverletzten Personen so verändert werden, dass die Gefahrenquellen bestmöglich beseitigt werden und eine Erhöhung der Verkehrssicherheit sichergestellt ist. Die Auswahl der Knotenpunkte bestimmt sich nach der Verkehrsunfallstatistik des Polizeipräsidenten in Berlin zu Verkehrsunfällen sowie nach weiteren objektiven Erkenntnisquellen. Die Knotenpunkte mit den auffälligsten Erhebungsergebnissen gemäß § 38 Absatz 1 sind bei der Bestimmung der zu verändernden Knotenpunkte zu berücksichtigen. Bei der Auswahl der umzubauenden Knotenpunkte soll außerdem die Verteilung auf mehrere Bezirke berücksichtigt werden.

(4)    Die örtlichen Fahrradstreifen der Berliner Polizei werden unter Beachtung der gesamtbehördlichen Aufgaben und Ressourcen ausgeweitet. Die Fahrradstaffel der Berliner Polizei wird sukzessive ausgebaut, ihr Handeln richtet sich am Unfalllagebild aus. Sie wird in allen Teilen Berlins tätig. Aufgaben der Fahrradstaffel sind insbesondere

1    Hauptunfallursachen und Regelverstößen nachzugehen und zu verfolgen, die die Sicherheit der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmenden gefährden,

2    den Dialog mit allen Verkehrsteilnehmenden über die Verkehrssicherheit der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmenden zu intensivieren.

(5)    Das Land Berlin wird durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Kampagnen die Verkehrssicherheit über alle Verkehrsmittel insbesondere durch Information über die geltenden Verkehrsregeln verbessern. Die Schwerpunkte werden in Abstimmung mit den betroffenen Verbänden und Gremien festgelegt. Die Wirksamkeit dieser Informationsarbeit ist regelmäßig zu evaluieren und das Ergebnis zu veröffentlichen.

§ 22 Störungsfreie Nutzbarkeit der Verkehrswege des Umweltverbundes sowie von Liefer- und Ladezonen

(1)    Eine möglichst sichere sowie behinderungs- und störungsfreie Nutzbarkeit von Gehwegen, Fahrwegen des Radverkehrs und von Fahrwegen und Haltestellen des ÖPNV sowie von Liefer- und Ladezonen soll gewährleistet werden. Hierzu sind in Zusammenarbeit der zuständigen Stellen der Verwaltung und der im straßengebundenen ÖPNV tätigen Verkehrsunternehmen unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bestimmungen und ausgerichtet auf die Ziele dieses Gesetzes die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

(2)    Die Nutzbarkeit der Vorrangnetze der Verkehrsmittel des Umweltverbundes hat eine besondere Bedeutung. Dieses betrifft insbesondere die Konzeption, Koordination und Umsetzung wirksamer Maßnahmen

1.    zur Überwachung und Freihaltung von Geh- und Radwegen sowie von Haltestellen des ÖPNV,

2.    zur Überwachung und Freihaltung der Fahrwege von Straßenbahnen mit straßenbündigem Bahnkörper sowie von Bussonderfahrstreifen,

3.    zur Sicherung der Fahrplantreue des ÖPNV bei attraktiver Durchschnittsgeschwindigkeit sowie generell

4.    zur Verhinderung und Beseitigung von verkehrsbehinderndem oder verkehrssicherheitsgefährdendem Halten und Parken.

In gleicher Priorität sind Lieferzonen in den Vorrangnetzen bei der Konzeption, Koordination und Umsetzung der vorstehenden Maßnahmen zu berücksichtigen.

(3)    Temporäre Eingriffe in die von den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes genutzte Verkehrsinfrastruktur, insbesondere durch Bauarbeiten, sind durch die Infrastrukturbetreiber, Straßenbaulastträger und Träger der jeweils die Eingriffe auslösenden Vorhaben hinsichtlich Zeitraum und Dauer so abzustimmen, dass die Behinderungen und Gefährdungen für die Nutzerinnen und Nutzer minimiert werden und eine sichere barrierefreie Führung und Nutzbarkeit auch während des Eingriffs gewährleistet ist. Gleichzeitige Eingriffe in Alternativrouten sind nach Möglichkeit zu vermeiden.

(4)    Zur Gewährleistung einer behinderungs- und störungsfreien Nutzbarkeit erfolgt ein regelmäßiges Monitoring der von den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes genutzten Straßeninfrastruktur inklusive der Funktionsfähigkeit der technischen Anlagen zur Verkehrslenkung sowie der Einhaltung der für die Nutzung dieser Infrastruktur maßgeblichen ordnungs- und verkehrsrechtlichen Vorgaben. Die Ergebnisse von Kontrollen der zuständigen Behörden oder die Ergebnisse der von Dritten nach vorgegebenen Standards auf Basis von Internetanwendungen übermittelten Störungsangaben sind im Internet öffentlich auf eine Weise verfügbar zu machen, die einen barrierefreien Zugriff durch internetbasierte Anwendungen ermöglicht.

(5)    Die gemäß Absatz 4 erfassten Daten sind mit Blick auf die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zu evaluieren. Maßstab für diese Evaluation sind die in den verkehrsspezifischen Planwerken definierten Vorgaben für die Qualität des Verkehrsangebots. Die Ergebnisse dieser Analyse werden in einem Evaluationsbericht zu Qualität und Nutzbarkeit der Verkehrsinfrastruktur generell sowie speziell in Bezug auf die verschiedenen Vorrangnetze der Verkehrsmittel des Umweltverbundes zusammengefasst. Bis 2022 ist alle zwei Jahre ein Evaluationsbericht vorzulegen. Danach geschieht dieses bei Bedarf, das heißt insbesondere in Vorbereitung der Planwerke, für die das Thema relevant ist.

(6)    Die Daten gemäß Absatz 4 sowie die Erkenntnisse aus der Evaluation gemäß Absatz 5 sind insbesondere bei der Erstellung der verkehrsspezifischen Planwerke, bei der Konzeption von Maßnahmen im Straßenraum sowie bei der Aufgabenerfüllung nach den Absätzen 1 und 2 und bei Entscheidungen gemäß § 24 und § 25 zu berücksichtigen.

§ 23 Aufgaben und Befugnisse der Berliner Verkehrsbetriebe bei der Verkehrsüberwachung

(1)    Unbeschadet der Aufgaben und Befugnisse von Polizei und Ordnungsbehörden überwachen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) den ruhenden Verkehr zur Abwehr von Gefahren, die von einer den Verkehrsregeln oder Verkehrszeichen widersprechenden Nutzung der Verkehrsflächen des ÖPNV ausgehen.

(2)    Zur Wahrnehmung der Aufgabe nach Absatz 1 ist die BVG berechtigt, Fahrzeuge zur Räumung von Bussonderfahrstreifen (Zeichen 245 der Anlage 2 zu § 41 Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung), Haltestellenbereichen (Zeichen 224 der Anlage 2 zu § 41 Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung) und Straßenbahngleisen (§ 12 Absatz 4 der Straßenverkehrsordnung) umzusetzen. Zu diesem Zweck finden die §§ 11 bis 16, 17, 18, 42 bis 44, 46, 48 bis 51 und 59 bis 65 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 2006 (GVBl. S. 930), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 16. März 2018 (GVBl. S. 186) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechende Anwendung.

(3)    Verkehrsrechtlich besonders ausgebildete Beschäftigte der BVG dürfen zum Zweck des Absatzes 2 vor Ort ausschließlich die folgenden Befugnisse ausüben:

1.    entsprechend dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz:
a)    § 15, Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme,
b)    § 17, Allgemeine Befugnisse,
c)    § 18, Ermittlungen, Befragungen, Datenerhebungen,
d)    § 42, Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung,
e)    § 44, Datenübermittlung innerhalb des öffentlichen Bereichs;

2. auf Grund des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 201-4, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2094) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung:

a)    § 10, Ausübung der Ersatzvornahme,

b)    § 12, Ausübung des unmittelbaren Zwanges gegen Sachen.

(4)    Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung erlässt im Einvernehmen mit der für Inneres zuständigen Senatsverwaltung die zur Ausführung der Absätze 1, 2 und 3 erforderlichen Verwaltungsvorschriften, die insbesondere die Anforderungen an die verkehrsrechtliche Ausbildung im Sinne des Absatzes 3 und das Verfahren der Zusammenarbeit der BVG mit dem Polizeipräsidenten in Berlin festlegen.

(5)    Für die Erhebung von Gebühren für Maßnahmen nach Absatz 3 durch die BVG gilt das Gesetz über Gebühren und Beiträge vom 22. Mai 1957 (GVBl. S. 516), das zuletzt durch Artikel IV des Gesetzes vom 18. November 2009 (GVBl. S. 674) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung; die Gebührenordnung erlässt der Senat durch Rechtsverordnung.

§ 24 Bewältigung von Konfliktlagen zwischen verschiedenen Planwerken

(1)    Die Anforderungen anderer Verkehrsmittel sind bei der Ausarbeitung der separaten Planwerke gemäß § 16 Absatz 6 sowie insbesondere bei den dort getroffenen Festlegungen zu Vorrangnetzen zu berücksichtigen.

(2)    Dabei soll im Wege planerischer Konfliktbewältigung vermieden werden, dass sich die in den Planwerken und insbesondere in deren Vorrangnetzen (Straße und Umweltverbund) für unterschiedliche Verkehrsmittel vorgesehenen Maßnahmen wechselseitig ausschließen (Realisierungskonflikt). Erkannte Realisierungskonflikte sind in den separaten Planwerken gemäß § 16 Absatz 6 aufzuzeigen und vorzubewerten, damit diese in der Umsetzung gemäß Absatz 3 bewältigt werden können.

(3)    Gemäß Absatz 2 vorbewertete oder in der Umsetzung der separaten Planwerke erkannte Realisierungskonflikte löst die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung im Rahmen einer Abwägungsentscheidung. Hierbei berücksichtigt sie die konkurrierenden Anforderungen und die Zielsetzungen der Planwerke. Sie überprüft die Vorgaben der Planwerke dahingehend, ob sich die insoweit abwägungsrelevanten Belange bis zum Beginn der Umsetzungsplanung in entscheidungserheblichem Umfang im Verhältnis zu den Annahmen bei Beschluss des Planwerks geändert haben. In Bezug auf einzelne Verkehrsmittel und betroffene Nutzungsansprüche berücksichtigt sie insbesondere folgende Aspekte:

1.    Auswirkungen der betroffenen Maßnahmen auf die Zielerreichung der in den §§ 3 bis 15 sowie der im StEP Mobilität und Verkehr definierten Ziele,

2.    Bedeutung der Maßnahmen innerhalb der jeweiligen Netze,

3.    Vorhandensein und Eignung alternativer Maßnahmen,

4.    Möglichkeiten und Wirkung einer partiellen Berücksichtigung von Anforderungen oder partiellen Umsetzung von Maßnahmen.

(4)    Der Abwägungsprozess und das Abwägungsergebnis sind unter Nennung der einzelnen Prüfschritte zu dokumentieren. Insbesondere ist zu dokumentieren, inwieweit den Anforderungen und Zielsetzungen der Planwerke und Vorrangnetze entsprochen werden kann. Soweit auf alternative Maßnahmen verwiesen wird, sind diese darzustellen.

(5)    Die Dokumentation ist auf Anforderung allen betroffenen Trägern öffentlicher Belange offenzulegen. Das Ergebnis ist den separaten Planwerken als Ergänzung beizufügen, wenn deren Maßnahmen von einem Realisierungskonflikt betroffen waren.

§ 25 Bewältigung von Konfliktlagen bei der Umsetzung von Maßnahmen

(1)    Konflikte zwischen zwei oder mehr Verkehrsmitteln, bei denen es sich nicht um Realisierungskonflikte im Sinne von §24 Absatz 2 handelt, sind durch planerische Abwägungsentscheidungen aufzulösen. Derartige Konflikte entstehen bei der Umsetzung von Maßnahmen insbesondere dann, wenn Anforderungen des fließenden und des ruhenden Verkehrs nicht gleichzeitig realisierbar sind oder die Anforderungen eines Verkehrsmittels mit denen eines anderen Verkehrsmittels konkurrieren. Der Bedarf nach einer planerischen Abwägungsentscheidung besteht unabhängig vom Anlass der Maßnahme und daher auch unabhängig davon, ob die zur Umsetzung anstehende Maßnahme in einem nach Maßgabe dieses Gesetzes erstellten Planwerk enthalten ist oder nach Soll-Bestimmungen dieses Gesetzes im Regelfall verpflichtend vorgegeben ist.

(2)    Bei der Abwägungsentscheidung sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

1.    die Konvergenz mit den Zielen dieses Gesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Verkehrssicherheit sowie der Bedeutung der Maßnahmen innerhalb der jeweiligen Netze,

2.    die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Verkehrssystems in seiner Gesamtheit,

3.    Der Vorrang des fließenden vor dem ruhenden Verkehr,

4.    Die verkehrsmittelspezifischen Ausweichmöglichkeiten im Sinne partieller Umsetzung von Maßnahmen oder der Umsetzung alternativer Maßnahmen.

(3)    Liegt der in einem verkehrsspezifischen Planwerk enthaltenen Maßnahme ein Abwägungsfehler zu Grunde oder haben sich die abwägungsrelevanten Belange bis zum Beginn der Umsetzungsplanung in entscheidungserheblichem Umfang im Verhältnis zu den Annahmen bei Beschluss des Planwerks geändert, so ist über Art und Umfang der Realisierung der Maßnahme in einer Abwägungsentscheidung zu befinden. § 24 Absatz 3 Satz 4 sowie Absatz 4 und 5 gelten entsprechend.

(4)    Aspekte des Landschafts-, Natur-, und Artenschutzes sind zu berücksichtigen.

Begründung zu §§ 20 bis 25 [siehe Hinweis]

Aus den Vorgaben des Mobilitätsgesetzes und der unter diesen Rahmenbedingungen erstellten separaten Planwerken ergeben sich vielfältige Anforderungen zur Umsetzung durch die zuständigen und beteiligten Behörden des Landes Berlin im regulären Verwaltungshandeln. Durch die zuständige Senatsverwaltung können Ausführungsbestimmungen erlassen werden, die die zuständigen Stellen bei der Umsetzung unterstützen. Dabei ist wichtig, dass die Anforderungen aus Gesetz und Planwerken konsequent zur Maßgabe des Verwaltungshandelns und der Abwägungen werden.

Auch die anderen Planwerke des Landes müssen bei ihrer Entstehung und in der Umsetzung Bezug auf die Festlegungen und Anforderungen des Mobilitätsgesetzes nehmen, um insgesamt widerspruchsfreies Handeln zu gewährleisten.

Über die Maßnahmen zur Umsetzung der Planwerke und zur Bewertung der Wirksamkeit muss regelmäßig berichtet werden. Die Träger öffentlicher Belange sind bei der Umsetzung rechtzeitig einzubeziehen. Um die Qualität des vorhandenen Straßennetzes wirksam zu überwachen und um rechtzeitig geeignete Maßnahmen zum Erhalt der Straßeninfrastruktur einzuleiten, soll ein Entwicklungs- und Erhaltungsmanagement eingerichtet werden.

Die zuständige Senatsverwaltung wird ermächtigt, bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen, die nicht geeignet sind, den Anforderungen dieses Gesetzes und der daraus abgeleiteten Planwerke zu genügen, die Gesamtinteressen der Stadt wirksam wahrzunehmen; dies gilt auch bei Unterlassung. Die Regelung in §20 Abs. 9 hat keine Einschränkung von § 13a Absatz 1 Satz 1 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes zur Folge.

Durch das Land sind für die beteiligten Stellen zur Ausübung der Aufgaben gemäß diesem Gesetz die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen bei der Haushaltsplanaufstellung zu berücksichtigen.

Die für die in § 21 Abs. 2 genannten Aufgaben aktuell zuständige Stelle ist die Unfallkommission.

Mit der in § 21 Abs. 3 genannten Verteilung der umzubauenden Knotenpunkte auf mehrere Bezirke soll vermieden werden, dass in einem Jahr so viele Knotenpunkte umzubauen sind, dass dies personell und planerisch nicht zu leisten ist.

Die Arbeit der Fahrradstaffel der Polizei hat sich bewährt. Sie soll sukzessive und unter Fokussierung auf die Verkehrssicherheitslage sowie die gesamtbehördlichen Aufgaben ausgebaut werden. Die Fahrradstaffel soll eine bessere Verkehrsmoral und ein friedliches Miteinander insbesondere zwischen Kfz- und Fahrradverkehr fördern.

Bei der Aufklärungskampagne zur Einhaltung der StVO liegt die Federführung bei der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung, die Polizei Berlin wird im Rahmen ihrer Zuständigkeit als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und mit eigenen Maßnahmen unterstützen.

Die möglichst störungsfreie Nutzbarkeit der eingerichteten Verkehrswege des Umweltverbundes sowie von Liefer- und Ladezonen ist sicherzustellen.

Dabei hat die Nutzbarkeit der Vorrangnetze des Umweltverbundes eine höhere Priorität als die Nutzbarkeit des übrigen Netzes des jeweiligen Verkehrsmittels.

Eine entsprechend höhere Priorität hat auch die Nutzbarkeit der Lieferzonen in den Vorrangnetzen generell, d.h. im Vorrangnetz des Straßenverkehrs gemäß § 16 Abs. 3 sowie in den Vorrangnetzen der Verkehrsmittel des Umweltverbundes.

Bei der Veröffentlichung von Störungsangaben werden Meldungen Dritter stets nur ein Indiz für Störungen sein und nicht die gleiche Qualität besitzen, wie behördlich ermittelte Erkenntnisse. Die „gute oder schlechte“ Indizqualität dieser Daten kann und sollte auch in den Evaluationsberichten thematisiert werden. Auf die bloß „indikative“ und nicht verbindliche Datenqualität kann auch bei der vorgegebenen Internetverfügbarkeit verwiesen werden.

Die Gewährleistung eine behinderungs- und störungsfreien Nutzbarkeit der vom Umweltverbund genutzten Straßeninfrastruktur wird regelmäßig von den jeweils zuständigen Verwaltungen kontrolliert. Die Ergebnisse dieses Monitorings werden evaluiert und sind Basis für zukünftige Planungen und Maßnahmen in Bezug auf den Straßenraum.

Das Gesetz beinhaltet einen Mechanismus zur Bewältigung von Konfliktlagen zwischen den im Gesetz geregelten Planwerken. Dieser Mechanismus hat keine Konsequenzen für Planungen, die nicht im Mobilitätsgesetz geregelt sind, und kann auch deren Aussagen nicht beeinflussen. So gibt es beispielsweise keine Auswirkungen auf die Inhalte des Flächennutzungsplans zu Trassenfreihaltung.

Hinweis zu §§ 24 ff.

Gegenüber dem Entwurf des Senats vom 20.02.2018 kam in der beschlossenen Fassung des MobG ein weiterer Paragraph hinzu (§ 23). Die Nummerierung der Paragraphen in den Begründungen wurde in den Überschriften angepasst und im Begründungstext darauf hingewiesen.

Abschnitt 2: Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)

Begründung zu Abschnitt 2 ÖPNV

Der landesgesetzliche Rahmen für die Ausgestaltung und Finanzierung des ÖPNV wird bislang vom ÖPNV-Gesetz des Landes Berlin vorgegeben [Gesetz über die Aufgaben und die Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs im Land Berlin (ÖPNVG) vom 27. Juni 1995 (GVBl. S. 390); zuletzt geändert durch Artikel III des Gesetzes vom 19.06.2006 (GVBl. S. 576).

Das Mobilitätsgesetz wird entsprechende Vorgaben für den gesamten Verkehr in Berlin setzen. Spezifische Regelungen für den ÖPNV sind in Abschnitt 2 des Mobilitätsgesetzes vorgesehen. Darüber hinaus finden aber auch die allgemeinen Regelungen des Abschnittes 1, in dem für die verschiedenen Verkehrsträger des Umweltverbunds gemeinsam Ziele und Rahmenbedingungen definiert werden, auf den ÖPNV Anwendung.

Die Regelungsgegenstände des ÖPNVG wurden in das Mobilitätsgesetz übergeleitet. Im Wesentlichen erfolgte diese Überleitung in Abschnitt 2 des Mobilitätsgesetzes. In einem geringeren Umfang haben die Regelungen auch Eingang in den verkehrsmittelübergreifenden Abschnitt 1 gefunden. Im Zuge der Überleitung wurden die Gesetzesinhalte vor dem Hintergrund geänderten Bundes- und EU-Rechts aktualisiert. Zudem erfolgte eine Modernisierung, da sich die gesellschaftlichen Anforderungen und Erwartungen an einen attraktiven, stadtgerechten und in den Umweltverbund integrierten ÖPNV wie auch die technischen Entwicklungen insbesondere im Bereich der Digitalisierung seit dem Erlass des ÖPNVG im Jahr 1995 merklich verändert haben.

Im Ergebnis wird das ÖPNVG daher mit dem Inkrafttreten des Mobilitätsgesetzes gegenstandslos und ist daher zeitgleich aufzuheben [vgl. Artikel 3].

§ 26 Besondere Ziele der Entwicklung des ÖPNV

(1)    Die Sicherung und Ausgestaltung eines attraktiven öffentlichen Personennahverkehrs inklusive des Regionalverkehrs ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Das Land Berlin soll eine an der Erfüllung der Ziele der §§ 3 bis 15, der auf den öffentlichen Personennahverkehr bezogenen Ziele und Vorgaben des StEP Mobilität und Verkehr sowie den besonderen Zielen zur Entwicklung des ÖPNV nach Maßgabe der folgenden Absätze 2 bis 11 ausgerichtete Bedienung mit ÖPNV sicherstellen. Die Maßnahmen zum Ausbau des ÖPNV bewirken insgesamt, dass der ÖPNV-Anteil am Gesamt-Modal-Split deutlich ansteigt.

(2)    Der ÖPNV soll insbesondere Wohngebiete, Arbeits- und Ausbildungsstätten, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Einkaufsgelegenheiten, Sportzentren, kulturelle und soziale Einrichtungen sowie Erholungsgebiete verkehrlich erschließen und verknüpfen. Das Strecken- und Liniennetz des ÖPNV ist unter Beachtung der längerfristigen Mobilitätsentwicklung, der nachhaltigen Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Infrastrukturerstellung und -nutzung sowie der Leistungserbringung an den Anforderungen der vorhandenen und potenziellen Fahrgäste auszurichten und zu entwickeln. Das ÖPNV-Angebot soll eine häufige, regelmäßige, pünktliche, schnelle, bequeme, umweltfreundliche, barrierefreie und sichere Verkehrsbedienung bieten und einen optimierten Übergang zu anderen Verkehrsmitteln im Sinne einer multimodalen Verknüpfung ermöglichen. Das Verkehrs- und Tarifangebot und die Information über dieses Angebot sind an den Bedürfnissen der Fahrgäste auszurichten.

(3)    Die Tarife für die Nutzung des ÖPNV sind einfach, nachvollziehbar und übersichtlich zu gestalten. Durch Bemessung der Höhe und der Struktur der Tarife sind einerseits die Bindung der Kundinnen und Kunden an den ÖPNV zu honorieren sowie die Zahl der Fahrgäste zu erhöhen und andererseits ist der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, dass auch die Fahrgäste einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Nahverkehrsangebots leisten. Freifahrtregelungen für bestimmte Nutzergruppen sind damit nicht ausgeschlossen. Die Bedürfnisse von Menschen mit geringem Einkommen sind zu berücksichtigen und für diese ein angemessen niedriger Beitrag zur Finanzierung des Nahverkehrsangebotes vorzusehen. Die Vertriebswege sind leicht zugänglich und barrierefrei zu gestalten und so zu konzipieren, dass der Aufwand für den Fahrausweiserwerb für die Fahrgäste minimiert wird. Alternative Formen der Finanzierung des ÖPNV insbesondere über Bürgertickets oder die Heranziehung der Nutznießer des ÖPNV sind zu prüfen.

(4)    Der verkehrsmittel- und unternehmensübergreifenden Integration der Verkehrsbedienung im öffentlichen Personennahverkehr sowie der Verknüpfung mit dem ÖPNV im Brandenburger Umland kommen besondere Bedeutung in der Umsetzung insbesondere der Ziele gemäß § 7 Absatz 1 sowie § 14 zu. Verknüpfung und Integration sind insbesondere durch abgestimmte Liniennetze, Fahrpläne, Anschlusssicherung, integrierten Tarif, zielgruppenspezifische Angebote, Vertrieb und bei der Kundenkommunikation umzusetzen.

(5)    Zur Absicherung eines verlässlichen und pünktlichen Angebotes sowie zur Realisierung attraktiver Reisezeiten wird dem ÖPNV als Teil des Umweltverbundes im Rahmen des geltenden Rechts Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt. Im erforderlichen Umfang ist dieser Vorrang insbesondere bei der Straßenraumaufteilung sowie bei der Schaltung von Lichtsignalanlagen umzusetzen.

(6)    Bei der Planung und Ausgestaltung der Verkehrsinfrastruktur, der Fahrzeuge sowie des Angebots des ÖPNV soll insbesondere in Umsetzung der Ziele gemäß § 3 und § 4 Absatz 2 und 3 den spezifischen Bedürfnissen der unterschiedlichen Gruppen von Nutzenden Rechnung getragen werden.

(7)    Der ÖPNV soll die Mobilität von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sichern und die Barrierefreiheit im Sinne des Landesgleichberechtigungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. September 2006 (GVBl. S. 957), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2017 (GVBl. S. 695) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, gewährleisten, sowohl hinsichtlich der Ausstattung von Fahrzeugen und fahrgastbezogener Infrastruktur als auch bei Informationen, Vertrieb und Orientierungshilfen sowie dem Betrieb und der Wartung der entsprechenden Infrastruktur. Im Nahverkehrsplan sind hierfür Standards und Maßnahmen zur Zielerreichung für den fahrplanmäßigen Verkehr zu konkretisieren sowie angemessene Vorkehrungen für den Umgang mit Störungsfällen zu entwickeln. Zur Überwindung von Barrieren beziehungsweise Nutzungseinschränkungen, die der Zielerreichung entsprechend § 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes entgegenstehen, werden bis spätestens 31. Dezember 2021 individuelle Beförderungsangebote zur Überwindung von Barrieren beziehungsweise Nutzungseinschränkungen im Sinne angemessener Vorkehrungen entwickelt. Bei Neuanschaffungen von Fahrzeugen und Neubau von Verkehrsinfrastruktur ist die Barrierefreiheit gemäß dem anerkannten Stand der Technik zu gewährleisten; bei Umrüstungen von Fahrzeugen sowie beim Ersatz und Umbau der Verkehrsinfrastruktur oder sonstiger Einrichtungen soll eine entsprechende Gestaltung erfolgen.

(8)    Bei der Planung und Ausgestaltung des ÖPNV ist der Fahrgastsicherheit Rechnung zu tragen. Die zuständigen Dienststellen der Polizei sind zu beteiligen.

(9)    Zur Verringerung der verkehrstechnischen Beeinträchtigungen von Klima und Umwelt, zur Vermeidung von Gesundheitsbeeinträchtigungen (Luftschadstoffe und Lärm) sowie unter Berücksichtigung der Anforderungen der Energieeffizienz soll die Leistungserbringung im ÖPNV auf Schiene und Straße über geeignete Anforderungen und Maßnahmen bei Planung und Bau von Infrastruktur sowie Beschaffung und Ausgestaltung von Fahrzeugen schrittweise bis spätestens 2030 auf einen vollständigen Betrieb mit alternativen Antrieben beziehungsweise nicht fossilen Antriebsenergien umgestellt werden. Hierbei ist ein aus dem Bedarf abgeleitetes, integriertes Konzept unter Berücksichtigung von gegebenenfalls notwendig werdender zusätzlicher Infrastruktur zu erstellen. Grundsätzlich ist ein Systemwechsel von Bus auf Schienenverkehrsmittel Teil der Migrationsstrategie.

(10)    Damit der ÖPNV seiner Vorreiterfunktion gerecht wird, soll bis spätestens 2030 schrittweise auf einen vollständigen Betrieb mit alternativen Antrieben beziehungsweise nicht fossilen Antriebsenergien inklusive der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen umgestellt werden. Die Erprobung neuer, dem Stand der Wissenschaft entsprechender Techniken auf ihre Einsatzreife soll Teil dieses Umstellungsprozesses sein.

(11)    Innovative Mobilitätskonzepte und Verkehrsangebote des ÖPNV sind mit Blick auf die verbesserte Erfüllung der Ziele dieses Gesetzes zu erproben. Sie sind zu nutzen, um auf neue Rahmenbedingungen und strukturelle Umbrüche, insbesondere im Kontext der zunehmenden Digitalisierung und des Aufkommens neuer, intelligenter Technologien, entsprechend reagieren zu können.

Begründung zu § 26

Die besonderen Ziele ergänzen oder konkretisieren die auch für den ÖPNV einschlägigen verkehrsmittelübergreifenden Ziele der §§ 3-15 des Mobilitätsgesetzes. Dabei ist Aufgabe fachgerechter Planung, die Vielzahl der durch die Ziele zu

beachtenden Aspekte zu bewerten und zu gewichten und so ein optimales Ergebnis zu erreichen. Wichtig ist: Die vorgegebenen Ziele müssen nicht widerspruchsfrei sein, die Gegensätze sind aber im Ergebnis guter Planung aufzulösen.

Zusätzlich werden der Sicherstellungsauftrag des Landes im ÖPNV normiert und konkretisiert, Qualitäts- und Erschließungsvorgaben, Vorgaben zur Ausgestaltung der Tarife und Vertriebswege sowie die Ziele zur Verkehrsintegration und Verknüpfung mit dem Umland beschrieben. Hierzu gehören die Beachtung des Zwei-Sinne- Prinzips genauso wie Angebote von Texten in Leichter Sprache sowie Gebärdenvideos. Die Organe des Landes sollen die Verkehrsunternehmen dabei durch besondere Berücksichtigung in der Planung und Steuerung berücksichtigen.

Bei der Ausgestaltung des Angebotes sind die Anforderungen der unterschiedlichen Nutzergruppen an Verfügbarkeit, Barrierefreiheit und Sicherheit zu beachten. Der ÖPNV ist wichtiger Bestandteil des Umweltverbundes und trägt bei einer attraktiven Ausgestaltung maßgeblich zum Klimaschutz mit bei. Besondere Vorgaben betreffen einerseits den Strombezug und andererseits die Umstellung der Antriebstechnik beim Diesel-Bus und bei den Diesel-Zügen bzw. Diesel-Triebwagen im Regionalverkehr. Es handelt sich bei der betroffenen Infrastruktur je nach betroffener Technik bzw. Antriebsenergie um Anforderungen an Fahrwege aber auch um unterschiedliche Energieversorgungsanlagen entlang des Fahrwegs oder in den Betriebshöfen.

§ 27 Aufgabenträger für den ÖPNV

(1)    Das Land Berlin ist Aufgabenträger für den gesamten ÖPNV. Zuständig ist die für den öffentlichen Personennahverkehr zuständige Senatsverwaltung.

(2)    Die nach Absatz 1 zuständige Senatsverwaltung ist zuständige Behörde im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung. Die zuständige Behörde ist befugt, nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ausschließliche Rechte und andere Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge zu gewähren.

(3)    Der Aufgabenträger kann sich zur Wahrnehmung seiner Aufgaben Dritter bedienen, insbesondere Aufgabenträgerorganisationen einrichten oder sich an aufgabenträgerübergreifenden Organisationen beteiligen.

Begründung zu § 27

Die Aufgaben und die Funktion des Aufgabenträgers ergeben sich aus Bundes- und EU-Recht. Das Mobilitätsgesetz regelt, wie die aktuellen Vorgaben im Land wahrgenommen werden.

§ 28 Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB)

(1)    Das Land Berlin hat zusammen mit dem Land Brandenburg und dessen Landkreisen und kreisfreien Städten zur Sicherstellung verkehrsmittel- und unternehmensübergreifender einheitlicher Tarife und eines integrierten Verkehrsangebots einen Verkehrsverbund gebildet und eine Verbundgesellschaft gegründet. Die Verbundgesellschaft wirkt im Rahmen ihrer Aufgaben nach den verbundvertraglichen Vereinbarungen an der Planung, Organisation, und Ausgestaltung einer angemessenen Verkehrsbedienung im ÖPNV gemäß den nachfolgenden Bestimmungen mit.

(2)    Der Aufgabenträger soll die Verbundgesellschaft mit der Vergabe von Leistungen im Schienenpersonennahverkehr sowie mit dem Vollzug entsprechender öffentlicher Dienstleistungsaufträge beauftragen. Ferner soll sich der Aufgabenträger der Verbundgesellschaft für die Aufteilung der Fahrgeldeinnahmen gemäß den zugrundeliegenden Verkehrs- und Einnahmenaufteilungsverträgen und die Weiterentwicklung der entsprechenden Verträge und Verfahren bedienen. Der Aufgabenträger kann die Verbundgesellschaft mit weiteren Tätigkeiten zur Unterstützung insbesondere im SPNV beauftragen.

(3)    Die Verbundgesellschaft wirkt unterstützend und koordinierend an der Weiterentwicklung der Fahrplanangebote im Stadt-Umland-Verkehr in Abstimmung mit den im Land Brandenburg zuständigen Aufgabenträgern mit. Das Land Berlin wirkt darauf hin, dass Kombitickets für die Nutzung des ÖPNV bei An- und Abreise für Flugreisen angeboten werden. Der Aufgabenträger bezieht seinerseits die Verbundgesellschaft in die Aufstellung und Fortschreibung des Nahverkehrsplans gemäß § 29 ein, insbesondere zur Abstimmung und Koordination mit den Nahverkehrsplänen der benachbarten Aufgabenträger des SPNV und des ÖPNV nach dem Personenbeförderungsgesetz.

Begründung zu § 28

Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) ist eine wesentliche, länderübergreifende Einrichtung zur Abstimmung länderübergreifender Verkehre, z.B. dem SPNV und einheitlicher Tarife und Tarifregelungen. Es wird differenziert zwischen dem Verbund und der Verbundgesellschaft: Im Verkehrsverbund arbeiten die Aufgabenträger mit dem Ziel eines integrierten Verkehrsangebotes zusammen. Die dabei von der Verbundgesellschaft zu übernehmenden Aufgaben sind in den Verbundverträgen geregelt.

Die Verbundgesellschaft wird vom Aufgabenträger im SPNV für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge und mit dem Vollzug derselben eingesetzt. Der Verkehrsverbund übernimmt hierbei das Vertragsmanagement und die Kontrolle der Leistungserbringungen sowie die Abrechnung der finanziellen Ausgleichsleistungen für die Aufgabenträger. Zudem ist eine Öffnungsklausel für weitere Aufgaben enthalten.

§ 29 Nahverkehrsplan

(1)    Der Aufgabenträger stellt einen Nahverkehrsplan für den öffentlichen Personennahverkehr auf. Bei der Aufstellung sind die in § 26 Absatz 1 benannten Ziele und Vorgaben sowie die für den ÖPNV maßgeblichen Ziele der Stadtentwicklungs- und Regionalplanung und deren Konkretisierung in entsprechenden aktuellen Planwerken zugrunde zu legen und umzusetzen.

(2)    Im Nahverkehrsplan werden die politischen Ziele des Landes Berlin für den ÖPNV festgelegt. Diese umfassen die gemäß Absatz 1 zu berücksichtigenden Ziele und Vorgaben, deren strategische Bewertung vor dem Hintergrund der vorhandenen und der zu erwartenden Ausgangsbedingungen und die Festlegung der strategischen Stoßrichtung der zur Zielerreichung zu realisierenden Maßnahmen. Zu den vorhandenen und den zu erwartenden Ausgangsbedingungen gehören insbesondere die betrieblichen und infrastrukturellen Gegebenheiten des ÖPNV, die finanziellen Möglichkeiten des Landes Berlin sowie die vorhandene und geplante Siedlungs- und Verkehrsstruktur, Prognosen der zu erwartenden Verkehrsentwicklung sowie Befragungsergebnisse zu den wichtigsten Anforderungen der vorhandenen und potenziellen Fahrgäste an den ÖPNV.

(3)    Im Nahverkehrsplan werden unter Berücksichtigung der nachfolgenden Absätze Verpflichtungen, Anforderungen und Maßnahmen spezifiziert, um in Umsetzung der strategischen Stoßrichtung die ausreichende Verkehrsbedienung entsprechend den in Absatz 2 Satz 2 genannten politischen Zielen sicherzustellen.

(4)    Im Nahverkehrsplan sind insbesondere Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebotes sowie die Vorgaben für die verkehrsmittel- und unternehmensübergreifende Integration der Verkehrsleistungen im ÖPNV darzustellen. Dazu gehören insbesondere Anforderungen an Erschließung und Betriebszeiten, an Taktfolgen und Anschlussbeziehungen, an die einzusetzenden Fahrzeuge, zur Fahrgastinformation im Regel- und im Störungsfall, zur Struktur und Fortentwicklung der gemeinschaftlichen Beförderungsentgelte und -bedingungen (Tarife), zur Ausgestaltung von Fahrgastrechten sowie zur Ausgestaltung der Verkehrsinfrastruktur des ÖPNV.

(5)    Im Nahverkehrsplan ist festzulegen, ob und wie Einfluss auf die tarifliche und vertriebliche Integration der Verkehrsangebote des ÖPNV mit anderen Mobilitätsdienstleistungen genommen werden soll.

(6)    Für die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ist mit dem Ziel der vollständigen Barrierefreiheit § 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes maßgeblich. Der Nahverkehrsplan konkretisiert entsprechend den Vorgaben aus § 26 Absatz 7 die dafür erforderlichen Standards, Maßnahmen und Prioritäten. Diese berücksichtigen auch Orientierungshilfen und Informationsangebote nach dem Zwei-Sinne-Prinzip, nach dem Informationen mindestens über zwei der drei Sinne (Hören, Sehen, Tasten) vermittelt werden, sowie ein ausreichendes Platzangebot für den in Satz 1 genannten Personenkreis einschließlich seiner gegebenenfalls erforderlichen Hilfsmittel zur persönlichen Mobilität. Die im Nahverkehrsplan zu setzenden Standards gewährleisten grundsätzlich eine eigenständige Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des ÖPNV durch alle Fahrgäste, soweit nicht im Nahverkehrsplan in begründeten Fällen Ausnahmen benannt sind. Im Nahverkehrsplan sind zudem angemessene Vorkehrungen gemäß § 26 Absatz 7 Satz 2 festzulegen, mit denen möglichst auch im Störungsfall oder bei baulich oder fahrzeugseitig noch nicht hergestellter Barrierefreiheit barrierefreie Mobilitätsalternativen zur Verfügung gestellt werden sollen.

(7)    Zur Erfüllung der Ziele aus § 8 Absatz 1 sowie § 26 Absatz 9 und 10 sind im Nahverkehrsplan die Schritte zur Umstellung des ÖPNV auf nicht fossile Antriebsenergie planerisch abzuleiten und darzustellen. In Umsetzung der Ziele aus § 8 Absatz 2 sowie § 9 sind im Nahverkehrsplan entsprechende Standards und Anforderungen an den ÖPNV hinsichtlich seiner Schadstoff- und Lärmemissionen sowie ressourcenschonender Material- und Energieverbräuche zu entwickeln.

(8)    Als Teil des Nahverkehrsplans ist ein ÖPNV-Bedarfsplan aufzustellen. Unter Berücksichtigung insbesondere der Vorgaben aus § 16 Absatz 6 Satz 3 und 4 sowie § 32 Absatz 4 beinhaltet dieser Aussagen zu Maßnahmen der Infrastrukturentwicklung sowie zur Entwicklung von Investitionen in weitere für den Betrieb des ÖPNV wesentliche Anlagegüter. Die Maßnahmen sind zu priorisieren und ihre Kosten für die Investitionsplanung des Landeshaushalts abzuschätzen.

(9)    Die Beteiligung von Verkehrsunternehmen sowie die Anhörung von Verbänden ist unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesrechts so auszugestalten, dass ein möglichst umfassendes Bild über die von den verschiedenen Akteuren vertretenen Interessen gewonnen wird. Der oder die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen und der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen sind anzuhören.

(10)    Der Nahverkehrsplan ist unter Beachtung von § 28 Absatz 3 mit den Aufgabenträgern im Land Brandenburg abzustimmen.

(11)    Der Nahverkehrsplan hat Aussagen zu seiner Evaluation und zum Monitoring zu treffen.

(12)    Der Nahverkehrsplan wird auf Vorlage der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung vom Senat beschlossen. Er ist dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis zu geben. Der Nahverkehrsplan soll alle fünf Jahre fortgeschrieben werden. Die Absätze 1 bis 11 sowie Satz 1 und 2 gelten hierfür entsprechend.

Begründung zu § 29

Der Nahverkehrsplan regelt verbindlich die für die Nahverkehrsplanung maßgeblichen Ziele. Er nimmt Bezug auf § 27 [§ 28] Abs. 1 und damit auf die Ziele der §§ 3 bis 15, der besonderen Ziele der Entwicklung des ÖPNV in § 27 [§ 28] Absätze 2 bis 9 sowie der vom StEP Mobilität und Verkehr gesetzten Ziele und Vorgaben. Durch Anpassung der EU VO 1370/2007 ist ein Nahverkehrsplan zwingende Voraussetzung für die Durchführung der Vergabeverfahren gemeinwirtschaftlicher Leistungen im ÖPNV.

Im Sinne der integrierten Mobilität soll die tarifliche oder vertriebliche Kombinierbarkeit des ÖPNV mit anderen Mobilitätsdienstleistungen (Bike Sharing, Car Sharing etc.) unterstützt werden. Die Umsetzung erfolgt über entsprechende Festlegungen in den Verkehrsverträgen.

Der Nahverkehrsplan konkretisiert das Ziel der vollständigen Barrierefreiheit aus § 27 [§ 28] Absatz 6 i.V.m. § 8 Absatz 3 Sätze 3 ff. PBefG. Der Aufgabenträger kann hiernach im Nahverkehrsplan Ausnahmen festlegen, soweit das Ziel nicht bis zum 01.01.2022 erreicht werden kann. Das Zwei-Sinne-Prinzip war einer der wesentlichen Punkte aus der Normenkontrolle zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die „eigenständige Nutzbarkeit“ konkretisiert das Inklusionsprinzip der UN-BRK in der Form, wie es auch § 4 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) vorsieht. Mit angemessenen Vorkehrungen, wie sie die UN-BRK fordert, wird zudem eine alternative Mobilitätsmöglichkeit auch im Störungsfall gewährleistet sowie für den Fall baulich oder fahrzeugseitig noch nicht vollständig umgesetzter Barrierefreiheit vorgesorgt. Dies könnte beispielsweise durch Begleitdienste, Inklusionstaxis und Sonderfahrdienste erfolgen.

Sowohl durch bundesgesetzliche Vorgaben als auch durch die Ziele und Anforderungen an die Beteiligung bei der Aufstellung des Nahverkehrsplanes gemäß § 19 sind detaillierte Verfahrensregelungen für die Aufstellung des Nahverkehrsplans festgelegt. Hiernach sind neben der Beteiligung vorhandener Unternehmer u.a. auch Verbände von Menschen mit Behinderungen bzw. Verbände der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Fahrgäste und Fahrgastverbände anzuhören. Dies gilt auch für die im Land Berlin bestehenden Beauftragten bzw. Beiräte, die bei dem Verfahren zur Aufstellung des Nahverkehrsplans anzuhören sind.

§ 30 Abschluss öffentlicher Dienstleistungsaufträge (Verkehrsverträge)

(1)    Der Aufgabenträger gewährt die zum Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen der Verkehrsunternehmen erforderlichen finanziellen Leistungen und/oder ausschließlichen Rechte auf Grundlage öffentlicher Dienstleistungsaufträge im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (Verkehrsverträge).

(2)    Der Nahverkehrsplan stellt die Grundlage für die in den Verkehrsverträgen zu regelnden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen dar. Dies umfasst auch Festlegungen zur Gesamtleistung gemäß § 8a Absatz 2 Satz 4 des Personenbeförderungsgesetzes. Verkehrsverträge sind so auszugestalten, dass ihre Nachsteuerung auf Basis eines während ihrer Laufzeit fortgeschriebenen Nahverkehrsplans möglich ist.

(3)    Bei der Vergabe von Verkehrsverträgen ist zu prüfen, ob ergänzend zu den Pflichten des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes auf Tariftreue und Mindestentlohnung weitere Möglichkeiten der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zur Sicherung von Sozialstandards für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestehen. Diese sind bei Bedarf zu nutzen.

(4)    Verkehrsverträge sind so auszugestalten, dass die Sanktionsmechanismen der Verträge im Falle von Schlechtleistungen für die Unternehmen wirtschaftlich unattraktiver sind, als die Erbringung dieser Leistung.

Begründung zu § 30

Die Möglichkeit zum Abschluss von Verkehrsverträgen wird an den geänderten EU- verordnungsrechtlichen und bundesgesetzlichen Rahmen angepasst. Für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gewährt der Aufgabenträger finanzielle Ausgleichsleistungen und/oder Ausschließlichkeitsrechte. Der Nahverkehrsplan (NVP) ist als Basis für die Inhalte der Verkehrsverträge vorgesehen. Die Vorgaben zur Gesamtleistung sind relevant, um „Rosinenpickerei“ verhindern zu können. Im Kontext des EU-Rechts korrespondiert dieses mit der Vorgabe aus Art. 2a Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 (neue Fassung), wonach die Spezifikation gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auch die Möglichkeit einschließt, kostendeckende mit nicht kostendeckenden Diensten zusammenzufassen.

Die Möglichkeit zur Sicherung von Sozialstandards entsprechend der VO (EG) Nr. 1370/2007 ergänzend zu den Pflichten des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes auf Tariftreue und Mindestentlohnung ist vorgesehen.

§ 31 Anforderungen an Haltestellen und Stationen des ÖPNV

(1)    Der Nahverkehrsplan soll regeln, welche Anforderungen an Haltestellen und Stationen des ÖPNV im Interesse der Fahrgäste sowie möglichst störungsfreier Betriebsabläufe zu stellen sind. Dieses betrifft insbesondere die unbehinderte An- und Abfahrt, barrierefreie Gestaltung sowie kurze und sichere Zugangs- und Umsteigewege, guteAuffindbarkeit, Einsehbarkeit und Beleuchtung, ausreichend dimensionierte Aufstellflächen, witterungsgeschützte Warte- und Sitzmöglichkeiten sowie Vorgaben zur Fahrgastinformation.

(2)    Die öffentlichen Baulastträger sind für die barrierefreie Ausgestaltung der Haltestellen von Bus und Straßenbahn verantwortlich, soweit diese nicht in der Zuständigkeit der Verkehrsunternehmen liegen. Die konkreten Anforderungen in Umsetzung der Vorgaben aus § 26 Absatz 6 und 7 an die barrierefreie Ausgestaltung, zeitliche Vorgaben und mögliche Ausnahmen gemäß § 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes werden im Nahverkehrsplan definiert.

(3)    Bei der Umgestaltung, Verlegung und Neueinrichtung von Haltestellen des ÖPNV im Straßenraum sind durch die öffentlichen Baulastträger die betrieblichen Anforderungen der Verkehrsunternehmen, die Anforderungen aus Absatz 1 sowie die Anforderungen gemäß § 33 Absatz 4 zu berücksichtigen.

Begründung zu § 31

Haltestellen und Stationen sollen barrierefrei ausgestaltet sein. Dies erfordert eine umfassende Betrachtung aller für eine barrierefreie Gestaltung aus den unterschiedlichen Formen von Mobilitätsbeeinträchtigungen resultierenden Anforderungen, vom Ein- und Ausstieg über Aufenthalt und Umsteigewege bis zur entsprechenden Informationsgestaltung. Ebenso muss es den Verkehrsunternehmen möglich sein, die im Straßenraum liegenden Haltestellen störungsfrei zu nutzen, zumal davon in vielen Fällen auch die Nutzbarkeit einer barrierefrei gestalteten Haltestelle abhängt.

§ 32 Erhalt, Modernisierung und Ausbau der Schienenverkehrsinfrastruktur

(1)    Die Schienenverkehrsinfrastruktur im Eigentum des Landes Berlin oder im Eigentum landeseigener oder in der Gewährträgerschaft des Landes stehender Betreiber ist von diesen dem Stand der Technik entsprechend aufrechtzuerhalten und deren Qualität, Kapazität und Verfügbarkeit ist mindestens gleichbleibend zu gewährleisten. Abweichende Vorgaben können sich aus den Zielen gemäß § 16 Absatz 3, § 26 sowie aus dem ÖPNV-Bedarfsplan ergeben.

(2)    Die zur Umsetzung der Vorgaben aus Absatz 1 erforderlichen Maßnahmen sind in Verkehrsverträgen zu regeln. Dabei ist auch im Rahmen eines Monitorings die Erfassung und Evaluierung des Zustands der Infrastruktur in Bezug auf den Erhalt des betrieblichen Nutzwertes und zur Verhinderung von Substanzverlust der Infrastrukturanlagen sowie zur Vermeidung eines übermäßigen Investitionsrückstaus vorzugeben. Kennzahlen zur Überprüfung des Infrastrukturzustandes werden vom Aufgabenträger in Abstimmung mit dem jeweiligen Betreiber der Infrastruktur festgelegt.

(3)    Das Land Berlin hat auf die Betreiber oder Eigentümer der nicht unter Absatz 1 fallenden für den Personenverkehr genutzten Schienenverkehrsinfrastruktur auf dem Gebiet des Landes Berlin in geeigneter Weise hinzuwirken, um auch für diese die Ziele und Vorgaben des Absatzes 1 umzusetzen.

(4)    Maßnahmen zur Modernisierung sowie zum Aus- und Neubau von Schienenverkehrsinfrastruktur sollen zur Erreichung der besonderen Ziele der Entwicklung des ÖPNV gemäß § 26 umgesetzt werden, wenn dieses zur Bereitstellung eines attraktiven, kapazitativ ausreichenden und mit nicht fossilen Antriebsenergien betriebenen Verkehrsangebotes oder aus Gründen der betrieblichen Optimierung erforderlich ist.

(5)    Die mit den Maßnahmen zu Erhalt, Modernisierung, Aus- und Neubau der Schienenverkehrsinfrastruktur verbundenen Beeinträchtigungen des laufenden Betriebs sind durch Koordination und Terminierung der Maßnahmen sowie durch Schienenersatzverkehr von angemessener Qualität zu reduzieren. Nähere Vorgaben dazu soll der Nahverkehrsplan unter Berücksichtigung von § 22 Absatz 3 sowie § 26 Absatz 6 und 7 setzen.

Begründung zu § 32

Für einen leistungsfähigen ÖPNV ist die Erhaltung der Infrastruktur mit Bezug auf den Stand der Technik von elementarer Bedeutung. Vom Stand der Technik kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn Qualität und Zuverlässigkeit auf anderem Weg gewährleistet werden können. Abweichungen in Bezug auf Modernisierung oder besonders geforderten Kapazitäten und Verfügbarkeiten können durch den Bezug zu den Zielen des StEP-Verkehr bzw. des Nahverkehrsplanes durch den Verweis auf

§ 16 Abs. 3 hergestellt werden. Dabei ist auch ein System des Infrastrukturmonitorings zu etablieren, um einen schleichenden Substanz- und Qualitätsverlust der Infrastruktur zu vermeiden. Da das Land Berlin keine unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten auf Dritte hat, die Schienenverkehrsinfrastruktur im Land Berlin betreiben, muss das Land auf diese Infrastrukturbesitzer in geeigneter Weise einwirken, um die Ziele zum Erhalt der notwendigen Infrastruktur zu erreichen.

§ 33 Anforderungen des ÖPNV an die Straßenverkehrsinfrastruktur

(1)    In Ausgestaltung der Ziele gemäß § 26 Absatz 2 und 5 legt der Nahverkehrsplan ein Vorrangnetz für den ÖPNV fest. Das Vorrangnetz dient der effektiven und wirtschaftlichen Sicherung der Qualität derAngebote des ÖPNV im Oberflächenverkehr. Es umfasst Strecken mit einem dichten ÖPNV-Angebot oder einer hohen Fahrgastnachfrage. Das Vorrangnetz kann bei Bedarf auch vor Erlass eines neuen Nahverkehrsplanes vom Aufgabenträger fortgeschrieben werden. Es ist in diesem Fall im Gesamtbericht nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zu veröffentlichen.

(2)    Der Straßenverkehrsraum der Strecken des Vorrangnetzes ist unter Berücksichtigung von infrastrukturellen, verkehrsordnenden und verkehrsregelnden Maßnahmen zugunsten des ÖPNV zu gestalten. Dies umfasst insbesondere die Einrichtung von dem ÖPNV vorbehaltenen Fahrwegen, von Haltestellenkaps sowie die Beeinflussung von Lichtsignalanlagen. Nähere Festlegungen können im Nahverkehrsplan getroffen werden.

(3)    Die gemeinsame Nutzung der ÖPNV-Fahrwege mit Carsharingfahrzeugen, Elektrofahrzeugen oder anderen Verkehrsmitteln des motorisierten Individualverkehrs soll im Rahmen des geltenden Rechts vermieden werden. Satz 1 gilt nicht für Krankenfahrzeuge und Taxen. Bei gemeinsamer Nutzung von ÖPNV-Fahrwegen mit Fahrrädern soll eine ausreichende Mindestbreite sichergestellt werden. Eine separierte Infrastruktur für ÖPNV und Radverkehr ist zu bevorzugen.

(4)    Dauerhafte Eingriffe und Veränderungen der Straßenverkehrsinfrastruktur sollen grundsätzlich keine Verschlechterung der verkehrlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen für den ÖPNV herbeiführen. Bei temporären Eingriffen sind Beeinträchtigungen des ÖPNV möglichst zu vermeiden, der grundsätzliche Vorrang des ÖPNV gemäß § 26 Absatz 5 ist bei allen begleitenden verkehrsregelnden und verkehrsordnenden Maßnahmen zu beachten. Bei Eingriffen im Bereich des gemäß Absatz 1 festgelegten Vorrangnetzes für den ÖPNV sind die Belange des ÖPNV besonders zu berücksichtigen. Im Falle unvermeidbarer Einschränkungen des ÖPNV sollen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die im Ergebnis auftretenden Störeinflüsse auszugleichen oder zu minimieren.

Begründung zu § 33

Durch geeignete Maßnahmen und insbesondere durch terminliche Koordination sollen die baubedingten Beeinträchtigungen des ÖPNV möglichst begrenzt werden und zudem im Bedarfsfall ein Schienenersatzverkehr von angemessener Qualität eingerichtet werden.

§ 34 Vermeidung von Störungen bei Bus und Straßenbahn

(1)    In die Zusammenarbeit nach § 22 bringen die im straßengebundenen ÖPNV tätigen Verkehrsunternehmen insbesondere Erfassungen und Auswertungen der Nutzbarkeit der Verkehrswege des ÖPNV auf der Basis technischer Pünktlichkeits- und Fahrzeitanalysewerkzeuge ein. Die zuständigen Stellen werten diese in Bezug auf Störungsfreiheit des straßengebundenen ÖPNV aus.

(2)    Außerordentliche Umstände, die zu einer massiven Störung der Leistungserbringung führen, werden von den im straßengebundenen ÖPNV tätigen Verkehrsunternehmen den für die Verkehrslenkung zuständigen Stellen umgehend angezeigt.

(3)    Die zuständigen Stellen ergreifen bei Bedarf unverzüglich verkehrsordnende, -regelnde oder -organisatorische Maßnahmen für eine Beseitigung oder Minimierung von Störungen im Sinne von Absatz 2.

Begründung zu § 34

Für einen attraktiven und möglichst störungsfreien ÖPNV sind im Straßennetz die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Dazu wird ein Vorrangnetz des ÖPNV festgelegt, in dem der ÖPNV vorrangig bei der Straßenraumaufteilung, der Gestaltung der Anlagen, der uneingeschränkten Nutzbarkeit von Sonderfahrstreifen und der Bevorrechtigung an Kreuzungen zu berücksichtigen ist. Vorgaben zur Berücksichtigung anderer Verkehrsmittel sowie zur Auflösung von Konflikten zwischen den verschiedenen Vorrangnetzen finden sich in § 23 [§ 24]. Die Vorgaben gelten nicht nur für die Planung der Anlagen, sondern zur Vermeidung von Störungen auch bei der Überwachung und Analyse von Störungsgründen. Nur eine sachgerechte Dokumentation von Störungen und deren Ursachen kann für weitere Planungen die notwendigen Veränderungsbedarfe verdeutlichen.

§ 35 Finanzierung des ÖPNV

(1)    Zur Finanzierung von Verkehrs- und Infrastrukturleistungen, deren Planung, Vergabe und Controlling, von gesetzlichen Ausgleichsleistungen, zur Förderung von Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr sowie für die Tätigkeiten der Verbundgesellschaft soll das Land Berlin Mittel insbesondere nach § 5 des Regionalisierungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2395), das zuletzt durch Artikel 19 Absatz 23 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, nach den §§ 1 und 3 Absatz 1 des Entflechtungsgesetzes vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098, 2102), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 1. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2755) geändert worden ist beziehungsweise in Nachfolge des Entflechtungsgesetzes ab 2020 in äquivalenter Höhe sowie nach Maßgabe des Haushaltsplanes zur Verfügung stellen. Die Regionalisierungsmittel sind vorrangig für Zwecke des SPNV zu verwenden.

(2)    Ein Ausgleich für die Anwendung ermäßigter Zeitfahrausweise des Ausbildungsverkehrs wird ausschließlich auf Basis von Verkehrsverträgen geleistet. Die Einzelheiten des Ausgleichs werden in den Verkehrsverträgen festgelegt. Die Sätze 1 und 2 ersetzen § 45a des Personenbeförderungsgesetzes und die §§ 6a, 6c und 6f des Allgemeinen Eisenbahngesetzes.

(3)    Die Gewährung bundesgesetzlicher Ausgleichsleistungen gemäß den §§ 228 bis 234 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234), das zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, erfolgt unabhängig von diesem Gesetz.

(4)    Die Förderung von Investitionen kann im Rahmen von Verkehrsverträgen nach § 30 Absatz 1 oder über Zuwendungsbescheid erfolgen.

Begründung zu § 35

Die Finanzierung des ÖPNV erfolgt aus öffentlichen Mitteln, die Quellen der Finanzierung sind: Mittel nach Regionalisierungsgesetz (vorrangig für den SPNV), nach dem Entflechtungsgesetz sowie nach Maßgabe des Haushaltsplanes. Die öffentlichen Ausgleichsleistungen für die Beförderung von Auszubildenden und Schwerbehinderten im ÖPNV werden entsprechend den Möglichkeiten aus § 64a PBefG und § 6h AEG durch Landesrecht geregelt und Teil der Verkehrsverträge.

Investitionen können über Verkehrsverträge oder über Zuwendungen finanziert werden. Die Förderung über Zuwendungsbescheid kann bedingen, dass weitere beihilferechtliche Vorgaben einzuhalten sind, die im Gesetz nicht ausdrücklich dargestellt werden.

Die in diesem Abschnitt aufgestellten Vorgaben für den ÖPNV sind bei der Erstellung der vom Senat zu beschließenden Nahverkehrspläne zu berücksichtigen. Die Umsetzung der Nahverkehrspläne erfolgt über Verkehrsverträge. Der Abschluss dieser Verkehrsverträge ist nur möglich, wenn entsprechende Verpflichtungsermächtigungen im Haushalt vorgesehen sind. Gleiches gilt für etwaige Investitionsförderungen per Zuwendung. Von daher hat es der Haushaltsgesetzgeber in der Hand, die mit diesem Gesetz verbundenen Verpflichtungen zu steuern. In der Konsequenz ist daher auch folgerichtig, dass neben den „durchgeleiteten Bundesmitteln“ die erforderlichen weiteren Mittel nach Maßgabe des Haushaltsplanes zur Verfügung stehen.

Hinweis zu § 35 Absatz 2

Tritt am 1. Januar 2020 in Kraft. Siehe Artikel 4.

Abschnitt 3: Entwicklung des Radverkehrs

§ 36 Besondere Ziele der Entwicklung des Radverkehrs

(1)    Das Land Berlin hat eine an den Zielen der §§ 3 bis 15, der auf den Radverkehr bezogenen Ziele und Vorgaben des StEP Mobilität und Verkehr sowie den besonderen Zielen zur Entwicklung des Radverkehrs nach Maßgabe der folgenden Absätze 2 bis 7 ausgerichtete Förderung eines attraktiven, leistungsfähigen und sicheren Radverkehrs sicherzustellen.

(2)    Die Förderung des Radverkehrs ist daran auszurichten, die Mobilitätsbedürfnisse in Berlin im Zusammenspiel mit den anderen Verkehrsmitteln auch bei wachsender Bevölkerungszahl erfüllen zu können.

(3)    Die Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs sollen bewirken, dass der Radverkehrsanteil im öffentlichen Raum wahrnehmbar deutlich ansteigt. Ziel ist ein dauerhaft nach Maßgabe der Ziele dieses Gesetzes und unter Berücksichtigung saisonaler Schwankungen optimaler Anteil des Radverkehrs am Modal Split. Konkrete Ziele sind im Radverkehrsplan festzulegen.

(4)    Um das Radfahren in Berlin auf kurzen wie längeren Wegen attraktiver und sicher zu gestalten, sind Qualität und Quantität der Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs auf ein dem angestrebten Stellenwert des Radverkehrs angemessenes Niveau zu heben.

(5)    Durch geeignete infrastrukturelle, verkehrsorganisatorische sowie kommunikative Maßnahmen ist eine objektive und möglichst hohe subjektive Sicherheit für die Radfahrenden zu erreichen. Dabei ist die vollständige Vermeidung von Verkehrsunfällen, die zu getöteten und schwer verletzten Radfahrenden führen, langfristiges Ziel und Leitlinie der Ausgestaltung von Maßnahmen zur Förderung der Sicherheit des Radverkehrs.

(6)    Ein den Zielen dieses Gesetzes entsprechendes und am Nachfragepotenzial orientiertes Angebot an Leihfahrrädern ist in ganz Berlin durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen. Straßenverkehrliche Sondernutzungserlaubnisse für Leihfahrradanbieter sind nur zu erteilen, soweit diesbezügliche Angebote insgesamt in allen Teilen Berlins gleichwertig bei Bedarf bereitgestellt sind. Beim Ausbau des Angebotes ist auf die Aufnahme von Rädern für die Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen hinzuwirken.

(7)    Die umweltschonende Nutzung von Lastenrädern für private oder gewerbliche Zwecke soll ausgeweitet werden. Entsprechende Maßnahmen zur Förderung von Lastenrädern sollen sowohl deren Angebot stärken als auch die Möglichkeiten zum Abstellen von Lastenrädern erweitern.

Begründung zu § 36

Der Abschnitt Radverkehr regelt, wie die Verbesserungen der Rahmenbedingungen für den Radverkehr in Berlin konkret, nachvollziehbar und permanent hergestellt und objektiv messbar gemacht werden. Das Gesetz stellt die Steigerung der Attraktivität

des Radverkehrs sicher, um so die Straße zu entlasten und die Verkehrsmittel des Umweltverbundes in Gänze zu stärken. Der Radverkehr soll sicherer werden (Beseitigung konkreter Gefahrenstellen, etwa an Kreuzungen, Rückgang der Unfälle). Darüber hinaus soll die Verkehrsinfrastruktur für Nutzende ertüchtigt werden, die sich heute beim Radfahren subjektiv nicht sicher fühlen. Ein besseres subjektives Sicherheitsgefühl der Radfahrenden ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, mehr Menschen für das Radfahren zu gewinnen.

§ 37 Aufgaben und Zuständigkeiten für den Radverkehr

(1)    Die für den Radverkehr zuständigen Stellen des Landes Berlin fördern den Radverkehr unter Beachtung und in Umsetzung des Radverkehrsplanes gemäß § 40 sowie der Regelungen der §§ 41 bis 48.

(2)    Bei der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung wird eine Koordinierungsstelle Radverkehr eingerichtet, die als Stabsstelle unmittelbar der Leitung untersteht.

(3)    Das Land Berlin kann Aufgaben der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung der Koordinierung, Planung, Umsetzung und dem Betrieb von Projekten sowie entsprechende Aufgaben der Bezirke an ein landeseigenes Unternehmen übertragen. Dieses gehört insoweit zu den für den Radverkehr zuständigen Stellen des Landes.

(4)    Das Land Berlin stellt gegenüber dem landeseigenen Unternehmen sicher, dass dieses seine Tätigkeit transparent und nachvollziehbar gestaltet. Entsprechende Tätigkeitsberichte sind im Internet öffentlich auf eine Weise verfügbar zu machen, die einen Zugriff durch internetbasierte Anwendungen ermöglicht. Gleiches gilt für die durch das Unternehmen betreuten Projekte und Maßnahmen, zu denen fortlaufend und aktuell im Internet zu informieren ist. Das landeseigene Unternehmen unterliegt darüber hinaus uneingeschränkt den Vorgaben und Anforderungen des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes.

(5)    Jeder Bezirk benennt eine für die Koordinierung der Radverkehrsangelegenheiten zuständige Person. In jedem Bezirk sollen mindestens zwei hauptamtlich Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) für den Radverkehr tätig sein. Ihre Aufgaben sind Planung und Umsetzung der bezirklichen Maßnahmen zur Radverkehrsförderung; dabei arbeiten sie mit den anderen für den Radverkehr zuständigen Stellen des Landes Berlin zusammen.

(6)    Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung initiiert und koordiniert ein Bündnis für den Radverkehr, das der Abstimmung der Maßnahmen sowie der Koordinierung der Umsetzung von baulichen und organisatorischen Maßnahmen mit dem Ziel der beschleunigten Umsetzung der Maßnahmen aus dem Radverkehrsplan dient. Neben den Bezirken und dem landeseigenen Unternehmen nach Absatz 3 sollen insbesondere die für die Umsetzung der prioritären Maßnahmen nach § 42 Absatz 3 zuständigen Einrichtungen jeweils mit entscheidungsbefugten Personen am Lenkungskreis des Bündnisses teilnehmen. Größere Radverkehrsmaßnahmen in den Bezirken sollen im Bündnis für Radverkehr abgestimmt und die Koordinierungsstelle über den Stand der Umsetzung auf dem Laufenden gehalten werden.

(7)    Auf Landesebene besteht ein Gremium, das die Senatsverwaltung in allen Fragen der Radverkehrspolitik unterstützt und Vorschläge und Anregungen unterbreitet („FahrRat“). Der FahrRat soll sich aus Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden, Kammern, Bezirken und zivilgesellschaftlichen und weiteren Handelnden zusammensetzen. Er wirkt auf transparente und offene Verfahrensabläufe sowie die Einbindung aller Bevölkerungsgruppen durch geeignete Beteiligungsverfahren zu einzelnen Themen der Radverkehrspolitik hin. Der FahrRat wirkt bei der Erarbeitung und Fortschreibung des Radverkehrsplans mit. Er soll vor wesentlichen Entscheidungen und Planungen mit Auswirkungen auf die gesamtstädtische Ebene gehört werden. Über die Zusammensetzung des Gremiums entscheidet das Abgeordnetenhaus auf Vorschlag des Senats.

(8)    In den Bezirken sollen bezirkliche FahrRäte das zuständige Bezirksamt beraten. Die Zusammensetzung der bezirklichen FahrRäte wird durch die für die Planung von Straßen zuständigen Bezirksstadträtinnen oder Bezirksstadträte festgelegt. Absatz 7 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Größere Radverkehrsmaßnahmen in den Bezirken werden mit den bezirklichen FahrRäten beraten.

(9)    Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung berichtet der Öffentlichkeit jährlich über die Umsetzung der Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs und regelmäßig über den Stand der Erreichung der Ziele.

Begründung zu § 37

Die Umsetzung der Ziele zur Förderung des Radverkehrs sind eine Querschnittsaufgabe, mehrere Ämter und Abteilungen auf Senats- und Bezirksebene sind damit befasst, die Aufgaben und Zuständigkeiten müssen klar verteilt werden. Der Koordinierung und strategischen Leitung kommt mithin eine wesentliche Bedeutung zu. Durch das landeseigene Unternehmen sollen insbesondere Projekte von bezirksübergreifender Bedeutung oder überörtliche Teile des Radverkehrsnetzes koordiniert geplant und umgesetzt werden. Auch ein Betrieb von Fahrradstationen oder Fahrradparkhäusern kann von dem Unternehmen übernommen werden. Ziel ist eine beschleunigte Umsetzung auch größerer Projekte. Die Bezirke übernehmen weiterhin die Planungen, die in bezirklicher Zuständigkeit liegen, sofern sie nicht an das landeseigene Unternehmen übertragen wurden. Eine Übertragung erfolgt im Regelfall durch die Bezirke. Die wichtige, beratende Arbeit des FahrRates wird künftig mit einer gesetzlichen Grundlage versehen und anerkannt. Nutzende von Drei- und anderen Spezialrädern sollten im FahrRat aktiv berücksichtigt werden.

§ 38 Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Radverkehr

(1)    Über das Sicherheitsempfinden von Radfahrenden an Knotenpunkten sind mindestens alle fünf Jahre, erstmals innerhalb von einem Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, Erhebungen durch die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung oder das landeseigene Unternehmen nach § 37 Absatz 3 durchzuführen.

(2)    Bei der Umgestaltung eines Knotenpunktes sollen Radverkehrsanlagen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit nach dem Stand der Technik eingerichtet oder angepasst werden; Maßnahmen nach Radverkehrsplan sollen umgesetzt werden. Bei der Einrichtung der Radverkehrsanlagen sollen Knotenpunkte so gestaltet werden, dass optimale Sichtbeziehungen bestehen.

(3)    Für Mitarbeitende im Außendienst der bezirklichen Ordnungsämter sollen bei Bedarf Dienstfahrräder bereitgestellt werden, wenn diese im Verkehrsüberwachungsdienst oder für Einsätze im Allgemeinen Ordnungsdienst eingesetzt werden sollen.

(4)    Die Themen Radverkehrsförderung und Gleichstellung von Radfahrenden sind Teil von Fortbildungsprogrammen, die ausdrücklich auch für Beschäftigte mit Vorgesetzten- und Leitungsfunktionen im allgemeinen Polizei- und Ordnungsdienst sowie in sonstigen Verwaltungen vorzusehen sind.

(5)    Das Land Berlin wird durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Kampagnen den Radverkehr fördern. Die Schwerpunkte werden in Abstimmung mit dem FahrRat nach § 37 Absatz 7 dieses Gesetzes festgelegt. Die Wirksamkeit dieser Informationsarbeit ist regelmäßig zu evaluieren und das Ergebnis zu veröffentlichen.

Begründung zu § 38

Es müssen gezielte Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Radverkehr ergriffen werden. Knotenpunkte (Kreuzungen und Einmündungen) sind innerorts die größten Unfallschwerpunkte für Radfahrende. Der Umbau von Knotenpunkten ist nötig, um insbesondere eine Verbesserung der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erzielen, die – im Gegensatz zu Autoinsassen – nicht durch ihr Fahrzeug geschützt sind. Neben dem objektiven Gefährdungspotenzial einer Kreuzung ist auch das subjektive Sicherheitsgefühl maßgeblich für die Verbesserung der Radverkehrssituation. Radfahrende meiden als gefährlich empfundene Knotenpunkte, so dass diese teilweise nicht in Unfallstatistiken erfasst werden. Gleichwohl ist es für die Förderung des Radverkehrs notwendig, auch diese Knotenpunkte für den Radverkehr attraktiv und sicher zu gestalten. Deswegen sollen entsprechende Erhebungen in die Auswahl der umzugestaltenden Knotenpunkte einbezogen werden.

§ 39 Planung, Verkehrsführung und Information bei Baumaßnahmen

(1)    Während aller Baumaßnahmen mit Auswirkungen auf das öffentliche Straßenland soll eine sichere Radverkehrsführung sichergestellt werden. Müssen Abschnitte von Straßen oder anderen Elementen im Radverkehrsnetz vollständig gesperrt werden, so ist für ausgewiesene Umfahrungsstrecken zu sorgen. Beschränkungen des verfügbaren Straßenraums sollen nicht zu Lasten des Umweltverbundes erfolgen.

(2)    Der für den jeweiligen Abschnitt relevante Verkehrszeichenplan ist vor Ort öffentlich einsehbar und barrierefrei zugänglich durch den Bauherrn oder den beauftragten Unternehmer nach § 45 Absatz 6 der Straßenverkehrs-Ordnung auszuhängen. Über Beginn und Ende von Baumaßnahmen mit Auswirkungen auf das öffentliche Straßenland ist im Internet fortlaufend zu informieren.

(3)    Bei der Planung von Baumaßnahmen im Straßenland ist zu prüfen und bei relevanten Vorhaben zu dokumentieren und unverzüglich im Internet zu veröffentlichen, inwieweit mit dem Abschluss der Baumaßnahme eine Radverkehrsanlage im Sinne dieses Gesetzes und der weiteren Regelwerke geschaffen werden kann. Bei jeder Planung und Baumaßnahme des Landes Berlin müssen die Bedürfnisse des Radverkehrs für künftige Planungen berücksichtigt werden.

Begründung zu § 39

Genehmigungsfreie Aufgrabungen nach BerlStrG 12 (7) Satz 2, das heißt Notfälle sowie Fälle von unwesentlicher Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs, sind von § 38 [§ 39] (1) nicht betroffen. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung übernimmt die Koordinierung der Information über Beginn und Ende der Baumaßnahmen und stellt dafür eine Plattform zur Verfügung.

§ 40 Aufstellung und Fortschreibung Radverkehrsplan

(1)    Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung stellt einen Radverkehrsplan auf. Bei der Aufstellung des Radverkehrsplanes sind die in § 36 Absatz 1 benannten Ziele und Vorgaben sowie die für den Radverkehr maßgeblichen Ziele der Stadtentwicklungs- und Regionalplanung und deren Konkretisierung in entsprechenden aktuellen Planwerken zugrunde zu legen und umzusetzen.

(2)    Der Radverkehrsplan dient insbesondere zur Sicherung und Verbesserung der für den Radverkehr notwendigen Infrastruktur. Der Radverkehrsplan enthält konkrete Ausbauvorgaben insbesondere zur Errichtung des Radverkehrsnetzes unter Angabe von Jahresausbauzielen (Quantitäten) und Schritten zur Verwirklichung der Ziele (Ausbaupfade) sowie zu den Qualitäten der geplanten Radverkehrsanlagen. Im Radverkehrsplan sind auf Grundlage der vorhandenen und geplanten Siedlungs- und Verkehrsstrukturen Ziele und Rahmenvorgaben für die Entwicklung des Radverkehrs und der dazu notwendigen Radverkehrsinfrastruktur festzulegen. Dazu gehören Mindestanforderungen an Sicherheit, Qualität und Quantität der Radverkehrsinfrastruktur und insbesondere der Weiterentwicklung des Radverkehrsnetzes.

(3)    Der Radverkehrsplan wird auf Vorlage der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung vom Senat beschlossen. Er ist als Rechtsverordnung zu erlassen und dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis zu geben. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung ist zum Erlass gemäß Satz 2 ermächtigt. Eine Beteiligung des Rats der Bürgermeister ist dabei sicherzustellen.

(4)    Bei der Aufstellung und Fortschreibung des Radverkehrsplans werden die Partner des Bündnisses für den Radverkehr, die FahrRäte sowie die Öffentlichkeit einbezogen.

(5)    Die Datengrundlagen des Radverkehrs sollen so ausgeweitet werden, dass Radverkehrsbewegungen als valide Eingangsgröße für die Aufstellung und Evaluation des Radverkehrsplans oder von Maßnahmen genutzt werden können. Hierbei sollen unter anderem weitere automatische Zählstellen zum Einsatz kommen. Die gezählten Radverkehrsbewegungen sind im Internet öffentlich verfügbar und auf digitaler Basis nutzbar zu machen.

(6)    Der Radverkehrsplan hat Aussagen zu seiner Evaluation und zum Monitoring zu treffen. Die Ergebnisse von Evaluation und Monitoring werden dem Abgeordnetenhaus von Berlin jeweils vor der nächsten Fortschreibung des Radverkehrsplans vorgelegt. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung lässt die Wirkungen der Maßnahmen nach diesem Gesetz evaluieren. Dabei ist die Anzahl der mit dem Rad zurückgelegten längeren Wege als ein Indikator für die Wirksamkeit der Radverkehrsförderung zu berücksichtigen.

(7)    Der Radverkehrsplan soll erstmalig innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgestellt und spätestens alle fünf Jahre fortgeschrieben werden.

(8)    Im Vorgriff auf die erstmalige Aufstellung des Radverkehrsplans legt die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung Vorgaben in Bezug auf Handlungsziele und Maßnahmen vor, die Inhalt des ersten Radverkehrsplans werden. Diese Vorgaben für die Radverkehrsplanung werden vom Senat beschlossen, der sie dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnis gibt.

(9)    Aus den Vorgaben für die Radverkehrsplanung ist durch die für den Verkehr zuständige Senatsverwaltung der Radverkehrsplan zu entwickeln, der die Inhalte der Vorgaben konkretisiert. Bis dahin treten die Vorgaben für die Radverkehrsplanung an die Stelle des Radverkehrsplans. Sie sind auch für die Bezirke bindend.

Begründung zu § 40

Ziel eines aufgestellten und regelmäßig fortgeschriebenen Radverkehrsplans ist es, die Herstellung des Radverkehrsnetzes sowie der weiteren Ziele voranzutreiben und dabei den Landes- wie Bezirksverwaltungen politisch-gestalterische, verbindliche Vorgaben mittels Rechtsverordnung an die Hand zu geben. Dabei werden Priorisierungen und verbindliche Bedarfe festgehalten bzw. festgestellt. Aus dem Radverkehrsplan wird der konkrete Maßnahmenplan entwickelt.

§ 41 Berliner Radverkehrsnetz

(1)    Das Berliner Radverkehrsnetz soll gleichwertig in allen Teilen Berlins insbesondere Wohngebiete, Arbeitsstätten, Bildungsstätten, Einkaufsgelegenheiten, kulturelle, soziale und Gesundheitseinrichtungen, Sportzentren sowie Erholungsgebiete verkehrlich miteinander verknüpfen. Auf geeignete Anschlusspunkte zum Berliner Umland wird geachtet. Es soll den verkehrlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen entsprechende schnelle, bequeme und sichere Verbindungen bieten. Das Radverkehrsnetz besteht aus allen Radverkehrsanlagen und für den Radverkehr ausgewiesenen Straßen und Wegen.

(2)    Standards und Ausnahmen zur Erschließung durch das Radverkehrsnetz werden zunächst in den Vorgaben der Radverkehrsplanung festgelegt und dann in den folgenden Radverkehrsplänen fortgeschrieben.

(3)    Das Berliner Radverkehrsnetz wird durch einen Netzplan als Bestandteil des Radverkehrsplanes beschrieben. Der Netzplan ist von der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes zu erarbeiten.

(4)    Die Herstellung des Radverkehrsnetzes und dessen Beschilderung soll bis zum Jahr 2030 erfolgen.

Begründung zu § 41

Das Berliner Radverkehrsnetz soll ausgehend vom aktuellen Haupt- und Ergänzungsroutennetz entwickelt, ergänzt und verbessert werden. Es soll über die Bezirksgrenzen hinaus lückenlos und einheitlich gestaltet sein sowie aus wiedererkennbaren, übersichtlich ausgewiesenen Routen bestehen. Weitere Vorgaben, etwa zur Dichte und zum Anschluss von Wohngebäuden, sollen in den Vorgaben für den Radverkehrsplan konkretisiert und festgeschrieben werden. Das Radverkehrsnetz außerhalb der Hauptstraßen soll dabei mindestens dem Umfang des heutigen Haupt- und Ergänzungsroutennetzes entsprechen. Der innerhalb eines Jahres zu erarbeitende Netzplan wird laufend überprüft, angepasst und weiterentwickelt werden, um ihn an die Bedürfnisse des Radverkehrs anzupassen.

§ 42 Vorrangnetz und prioritärer Umsetzungsbedarf

(1)    Innerhalb des Berliner Radverkehrsnetzes sind die für den Radverkehr besonders wichtigen Verbindungen, insbesondere Verbindungen von gesamtstädtischer Bedeutung, zu definieren (Vorrangnetz). Bei im Vorrangnetz ausgewiesenen Straßen soll im Rahmen des geltenden Rechts dem Radverkehr als Teil des Umweltverbundes Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden.

(2)    Die Qualitäten der Radverkehrsanlagen im Vorrangnetz sollen den in den Vorgaben der Radverkehrsplanung und in dem Radverkehrsplan festgelegten Standards für das Vorrangnetz entsprechen. Im Vorrangnetz Radverkehr sollen im Rahmen des geltenden Rechts die Lichtzeichenanlagen für einen fließenden Radverkehr koordiniert werden.

(3)    Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung stimmt im Bündnis für Radverkehr einen Zweijahresmaßnahmenplan ab, der die Projekte mit prioritärem Umsetzungsbedarf enthält. Dazu zählen neben dem Vorrangnetz auch wichtige Verbindungen, die noch ohne Radverkehrsinfrastruktur und ohne Alternativrouten sind, sowie stark genutzte Routen in schlechtem Zustand.

§ 43 Radverkehrsanlagen an oder auf Hauptverkehrsstraßen

(1)    Auf oder an allen Hauptverkehrsstraßen sollen Radverkehrsanlagen mit erschütterungsarmem, gut befahrbarem Belag in sicherem Abstand zu parkenden Kraftfahrzeugen und ausreichender Breite eingerichtet werden. Diese sollen so gestaltet werden, dass sich Radfahrende sicher überholen können. Aus Sicherheitsgründen sollte sowohl auf gemeinsam geführte Geh- und Radwege als auch auf zur Nutzung durch den Radverkehr freigegebene Gehwege möglichst verzichtet werden. Bei Radwegen auf Gehwegniveau ist auf eine für alle klar erkennbare Trennung von Radweg und Gehweg zu achten.

(2)    Im Sinne vorausschauender Planung ist die in Umsetzung der Planung zu erwartende Radverkehrsnutzung bei der Dimensionierung zu berücksichtigen. Die Radverkehrsanlagen sollen so gestaltet werden, dass unzulässiges Befahren und Halten durch Kraftfahrzeuge unterbleibt. Näheres wird im Radverkehrsplan und in den Vorgaben für die Radverkehrsplanung geregelt.

Begründung zu § 43

Sichere Radverkehrsanlagen an oder auf Hauptstraßen als Teil einer sicheren und attraktiven Infrastruktur fördern die Sicherheit sämtlicher Verkehrsteilnehmenden, Konflikte mit motorisierten Verkehrsteilnehmenden und Fußgängern werden verringert. Da es für Radfahrende unter diesen Bedingungen keinen Anlass gibt, auf den Gehweg auszuweichen, werden nicht zuletzt Konflikte mit zu Fuß Gehenden vermieden. Bei der klar erkennbaren Trennung von Radweg und Gehweg sollen insbesondere die Bedürfnisse von blinden und sehbeeinträchtigten Menschen beachtet werden.

Mit der ausreichenden Breite wird dem Wachstum des Radverkehrs mit zunehmend mehr Lasten- oder Familienrädern, Elektrofahrrädern (Pedelec 25) und der zuneh- menden Differenzierung der Geschwindigkeit sowie das gemeinsame Radfahren von eher unsicheren und erfahrenen Verkehrsteilnehmenden Rechnung getragen.

Unzulässiges Befahren und Halten durch Kfz-Verkehr soll unterbunden werden. Zum Schutz des Radverkehrs sollen nach Möglichkeit und Eignung der Straße vom Kfz- Verkehr separierte Radverkehrsanlagen geschaffen werden. Die Separierung vom Kfz-Verkehr kann verkehrsrechtlich oder als physische Trennung erfolgen. Dazu können z. B. Poller, Blumenkübel, Grünstreifen, Randsteine oder ähnliches dienen. Bauliche Radwege sollten bevorzugt dort angewendet werden, wo ohnehin aus anderen Gründen ein Straßenumbau oder eine -renovierung ansteht oder aufgrund besonderer örtlicher Situationen mit einer einfachen physischen Trennung die geforderten Sicherheitsstandards nicht zu erreichen sind.

Soweit die Einrichtung oder der Aus- bzw. Umbau von Radverkehrsanlagen eine geänderte Flächennutzung erfordert, kommen Gehwegflächen hierfür nur ausnahmsweise bei Vorliegen zwingender Gründe und nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass eine ausreichende Gehwegbreite von im Regelfall 3,5 m gewährleistet bleibt. Sind in Ausführungsvorschriften zum Berliner Straßengesetz darüberhinausgehende Gehwegbreiten vorgeschrieben, sind jedoch mindestens diese einzuhalten. Bus- und Radspuren sollen nach Möglichkeit separiert werden. Nur, wenn eine Straße zu eng und eine Separierung daher nicht möglich ist, soll der Radverkehr dauerhaft auf der Bussonderspur geführt werden. In keinem Fall darf eine Bussonderspur ersatzlos entfallen, um eine separate Fahrradinfrastruktur einzurichten. Bei der Konzipierung der Radverkehrsanlagen sollten die Bedarfe des Wirtschaftsverkehrs/Lieferverkehrs berücksichtigt werden.

§ 44 Fahrradstraßen und Nebenstraßen im Radverkehrsnetz

(1)    Fahrradstraßen dienen als Teil des Radverkehrsnetzes der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fahrradverkehrs sowie der Entflechtung der Verkehre. Eine Ausweisung von Nebenstraßen im Radverkehrsnetz als Fahrradstraßen wird angestrebt. Die übergeordnete, stadtweite Bedeutung ist bei der Prüfung zur Einrichtung von Fahrradstraßen zu Grunde zu legen.

(2)    Fahrradstraßen und Nebenstraßen sollen so gestaltet werden, dass motorisierter Individualverkehr, außer Ziel- und Quellverkehr, im jeweiligen Straßenabschnitt unterbleibt.

(3)    Die Nebenstraßen im Radverkehrsnetz sind mit geeigneten Maßnahmen so zu gestalten, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten wird. Die Knotenpunkte sind so zu gestalten, dass alle am Verkehr Teilnehmenden gute Sichtbeziehungen haben und beim Abbiegen sicherheitsverträgliche Geschwindigkeiten eingehalten werden. Im Rahmen der geltenden Gesetze ist eine Vorfahrtberechtigung durch bauliche und verkehrsrechtliche Maßnahmen gegenüber einmündenden Nebenstraßen zu prüfen.

(4)    Nebenstraßen im Radverkehrsnetz sind für alle am Verkehr Teilnehmenden gut erkennbar als Teil des Radverkehrsnetzes zu kennzeichnen.

Begründung zu § 44

Fahrradstraßen und Nebenstraßen im Radverkehrsnetz sollen im Vergleich zum heutigen Haupt- und Ergänzungsroutennetz verbessert und weiterentwickelt werden. Neben einer durchgehenden und deutlichen Wegweisung, sollen sowohl Fahrradstraßen als auch sonstige Nebenstraßen im Fahrradroutennetz für alle am Verkehr Teilnehmenden auf den ersten Blick als Bestandteil des Radverkehrsnetzes erkennbar sein. Dies kann beispielsweise durch auf der Fahrbahn aufgebrachte Piktogramme realisiert werden. Ein erschütterungsarmer, gut befahrbarer Belag ist im Regelfall Asphalt. In Fahrradstraßen ist Anliegerverkehr nur erlaubt, wenn dies durch Zusatzzeichen gekennzeichnet ist. In Berlin erfolgt dies im Regelfall. Um quartiersfremdem Durchgangsverkehr weitgehend zu reduzieren und die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu stärken, sollen auch Maßnahmen wie die Einrichtung von gegenläufigen Einbahnstraßen oder bauliche Maßnahmen wie z. B. Diagonalsperren an Kreuzungen, Poller und Fahrgassenverengungen im Bereich der Zufahrt ergriffen sowie Maßnahmen der Verkehrsüberwachung durchgeführt werden, z.B. durch den verstärkten Einsatz der Fahrradstaffel der Polizei sowie Fahrradstreifen der Polizei.

§ 45 Radschnellverbindungen

(1)    Radschnellverbindungen sind Verbindungen im Radverkehrsnetz, die wichtige Quell- und Zielbereiche mit entsprechend hohen Potenzialen über größere Entfernungen verknüpfen und durchgängig ein sicheres und attraktives Befahren auch mit hohen Reisegeschwindigkeiten ermöglichen.

(2)    Es sollen mindestens 100 km Radschnellverbindungen errichtet werden. Die Mindestlänge von Radschnellverbindungen soll möglichst fünf Kilometer betragen. Sie kann in mehreren Bauabschnitten erreicht werden.

(3)    Radschnellverbindungen sollen getrennt vom Fußverkehr geführt werden. Sie sind auf eigenständigen Sonderwegen, in Fahrradstraßen oder vom motorisierten Verkehr getrennt in Straßen zu führen. Der eigenständige Sonderweg ist die bevorzugte Führungsform. Bei der Konzeption von Radschnellverbindungen muss eine sichere Führung des Fußverkehrs berücksichtigt werden. Sofern erforderlich, sind gesicherte Querungen in zumutbaren Entfernungen für den Fußverkehr einzurichten.

(4)    Radschnellverbindungen sind durch besondere Qualitätsstandards der Linienführung, der Netzverknüpfung, der Ausgestaltung und begleitenden Ausstattung sowie der Erkennbarkeit gekennzeichnet. Näheres regelt der Radverkehrsplan.

Begründung zu § 45

Bisher ist die Kategorie der Radschnellverbindungen weder in der Straßenverkehrsordnung (StVO) noch in den Regelwerken wie der Empfehlung für Radverkehrsanlagen (ERA) festgelegt. Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), u.a. Herausgeberin der RIN (Richtlinie für Integrierte Netzgestaltung) und ERA, hat bereits ein Arbeitspapier zu „Einsatz und Gestaltung von Radschnellverbindungen“ (2014) herausgegeben, das Kriterien vorschlägt. Für den Ausbau der Radschnellverbindungen in Berlin sollen diese Kriterien an die besondere Situation der Hauptstadtregion angepasst werden. Für die Wiedererkennbarkeit einzelner Radschnellwege sollen sie spezifisch gekennzeichnet oder nummeriert und ausreichend beleuchtet sein.

§ 46 Öffnung von Einbahnstraßen und Sackgassen für den Radverkehr

(1)    Alle Einbahnstraßen sollen bei der Erstellung und Fortschreibung des Radverkehrsplans auf Freigabe für das Fahrradfahren in Gegenrichtung geprüft werden. Die zuständigen Stellen orientieren sich dabei an einem von der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung erarbeiteten Leitfaden. Vor der Einrichtung von neuen Einbahnstraßen ist die Freigabe für den Radverkehr in Gegenrichtung zu prüfen und gegebenenfalls mit der Einrichtung der Einbahnstraße herbeizuführen.

(2)    Sackgassen sollen, soweit möglich, für Radfahrende passierbar gemacht und dieses durch Beschilderung oder Markierung gekennzeichnet werden.

Begründung zu § 46

Viele Einbahnstraßen sind bereits für den Fahrradverkehr in beiden Richtungen zugelassen. Dies soll im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten ausgeweitet werden. Die Öffnung von Einbahnstraßen in die Gegenrichtung verkürzt die Wege für Radfahrende und macht den Radverkehr attraktiver. Gleiches gilt für verstärkte Prüfung, wie bestehende Sackgassen für den Radverkehr als Durchgangswege erschlossen werden können. Hierbei müssen aber die dort vorrangigen Interessen der Zu Fuß Gehenden berücksichtigt werden. Notwendig ist eine entsprechende Ausschilderung, um den Radverkehr auch durch diese Maßnahme maßgeblich attraktiverer zu gestalten.

§ 47 Fahrradabstellanlagen

(1)    Der Bedarf nach Fahrradabstellanlagen wird regelmäßig überprüft und das Angebot entsprechend angepasst. Die Auswahl der Standorte sowie die Anzahl und Dimensionierung der Abstellanlagen soll sich am derzeitigen und erwarteten zukünftigen Bedarf des Fahrradverkehrsaufkommens orientieren, in allen Teilen Berlins gleichwertig eingerichtet werden und den Fußverkehr nicht behindern. Die Verortung und Gestaltung berücksichtigt das Sicherheitsempfinden der Nutzenden. Näheres regelt der Radverkehrsplan.

(2)    Die Abstellmöglichkeiten sollen regelmäßig daraufhin überprüft werden, ob sie nutzbar sind. Zerstörte oder offensichtlich nicht mehr zum Fahren geeignete Fahrräder sollen entfernt werden.

(3)    Diebstahlsichere Abstellmöglichkeiten wie Fahrradboxen sollen im öffentlichen Raum insbesondere in Wohngebieten ermöglicht werden.

(4)    Unabhängig von Absatz 1 Satz 1 sollen 50.000 Fahrradstellplätze an den Stationen und Haltestellen des ÖPNV sowie weitere 50.000 Fahrradstellplätze im öffentlichen Raum, insbesondere an sozialen und kulturellen Einrichtungen, an Schulen und Einzelhandelseinrichtungen bis zum Jahr 2025 eingerichtet werden. An wichtigen Regionalbahnhöfen sowie wichtigen Stationen und Haltestellen des ÖPNV sollen innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes Fahrradparkhäuser und Fahrradstationen erstellt werden. Fahrradstationen sind Einrichtungen zum gesicherten Abstellen von Fahrrädern in geschlossenen Räumen, mit Vermietung von Fahrrädern sowie Serviceleistungen für Fahrräder. Ein Fahrradparkhaus ist eine überdachte bauliche Anlage zum Abstellen und Anschließen von Fahrrädern.

Begründung zu § 47

Das Angebot an Fahrradabstellanlagen soll fortlaufend angepasst und Abstellanlagen an Orten mit entsprechender Nachfrage aufgestellt werden. Dabei ist auch der künftige Bedarf zu berücksichtigen. Der Erhalt einer ausreichenden Gehwegbreite ist beim Aufstellen von Abstellanlagen zu gewährleisten. Verstärkt sollen daher Abstellanlagen in Bereichen geschaffen werden, die aktuell zum Parken von Pkw genutzt werden. Hier kann es Synergieeffekte mit anderen Maßnahmen und Zielen geben, z. B. der Umgestaltung von und Schaffung von Sichtbeziehungen an Knotenpunkten. Bei der Aufstellung von Fahrradabstellanlagen ist sicherzustellen, dass alle öffentlichen Wege für alle Verkehrsteilnehmende zur Nutzung freigehalten werden und es zu keiner Behinderung kommt. Eine Übertragung der bezirklichen Aufgaben für die Planung, Finanzierung und den Unterhalt von Fahrradparkhäusern und Fahrradstationen an die InfraVelo GmbH ist vorgesehen.

Die in Bezug auf den Bedarf nach Fahrradparkhäusern und Fahrradstationen wichtigen Regionalbahnhöfe sind in einem planerischen Auswahlprozess zu ermitteln. Dabei werden auch Regionalbahnhöfe in der äußeren Stadt berücksichtigt.

§ 48 Erhalt und Sanierung Radverkehrsnetz

(1)    Der Zustand der Anlagen des Berliner Radverkehrsnetzes soll durch die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung regelmäßig erhoben werden. Die Ergebnisse der Erhebung sollen im Internet öffentlich auf eine Weise verfügbar gemacht werden, die einen Zugriff durch internetbasierte Anwendungen ermöglicht.

(2)    Mängel an der Radverkehrsinfrastruktur sollen nachhaltig nach den Qualitätsstandards des Radverkehrsplans und den Vorgaben der Radverkehrsplanung beseitigt werden. Mängel sind Schäden und behebbare Hindernisse, die zu einer Beeinträchtigung oder Unterbrechung von Verbindungen im Berliner Radverkehrsnetz führen. Mängel, die Radfahrende erheblich gefährden, sollen soweit möglich unverzüglich beseitigt werden. Ist dies nicht möglich, sollen Sicherungsmaßnahmen vorgenommen und alternative Angebote für den Radverkehr hergestellt werden. Sonstige Mängel sollen möglichst innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis beseitigt werden, es sei denn, der Mangel besteht an einer Anlage, für die eine größere Baumaßnahme vorgesehen ist. Für diesen Fall sollen temporäre Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt werden. Dazu gehört auch die kurzfristige Anordnung und temporäre Einrichtung von Radfahrstreifen und Schutzstreifen.

(3)    Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung stellt sicher, dass ein Register über die Mängel der Radverkehrsinfrastruktur geführt wird. Registriert werden nicht nur die in eigenen Erhebungen der zuständigen Stellen ermittelten Mängel sondern auch Mängelmeldungen aus der Bevölkerung. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung wird in geeigneter Weise über die Behebung der Mängel und die Verbesserungen der Radverkehrsinfrastruktur berichten.

Begründung zu § 48

Dem Erhalt und der Sanierung der bestehenden Radverkehrsanlagen kommt künftig eine stärkere Bedeutung zu: Radfahrende werden oft durch kleinere und größere Schäden und Mängel der Infrastruktur am sicheren und komfortablen Vorankommen gehindert. Dazu zählen Wurzelschäden und Hindernisse auf Radwegen, unzureichend abgesenkte Bordsteine oder abrupt endende Radwege. Die Beseitigung von Mängeln lässt sich teilweise mit geringem Aufwand durchführen – die positive Wirkung einer zeitnahen Beseitigung ist jedoch enorm, gewährleistet eine nachhaltig intakte Infrastruktur und beugt Sanierungsstau vor. Ein geeignetes Meldemanagement ermöglicht die Realisierung dieser Ziele.

§ 49 Finanzierung der Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs

Zur Finanzierung der Planung, Organisation, Ausgestaltung und Durchführung des Abschnitts Radverkehr dieses Gesetzes stellt das Land Berlin Personal- und Sachmittel nach Maßgabe der Haushaltsgesetze zur Verfügung. Dabei sind auch Mittel aus Bundes- und europäischen Förderprogrammen zur Förderung heranzuziehen.

Begründung zu § 49

Der Gesamtumfang der jährlich aufzubringenden Mittel soll sich an den Empfehlungen des Nationalen Radverkehrsplans für Vorreiterstädte orientieren. Mit Förderprogrammen auf Bundes- und Europaebene sind insbesondere Programme wie GRW und BENE gemeint.

Abschnitt 4: Übergangsbestimmungen

§ 50 Übergangsbestimmungen

(1)    Verkehrsspezifische Planwerke, deren Planungsprozess vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen wurde, können von den Vorgaben dieses Gesetzes abweichen, wenn sich andernfalls gravierende Verzögerungen bei der Erstellung und Verabschiedung des Planwerks ergeben.

(2)    Dieses Gesetz soll ein Jahr nach seinem Inkrafttreten um Abschnitte zum „Fußverkehr“ und zur „intelligenten Mobilität“ ergänzt werden. Dabei soll auch der Wirtschaftsverkehr vertieft geregelt werden. Bei der Erarbeitung des Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzeptes ist zu prüfen, ob auch für den Wirtschaftsverkehr ein eigener Abschnitt vorzusehen ist, weil ein über die jetzt schon vorhandenen Regelungen hinausgehender Bedarf nach umfassender gesetzlicher Verankerung besteht.

Begründung zu § 50

Digital getriebene und intelligent gesteuerte Angebote sollen zukünftig eine wichtige Rolle spielen, um in der wachsenden Stadt einen leistungsfähigen Verkehr und eine nachhaltige und stadtverträgliche Mobilität im Einklang mit den Zielen des Mobilitätsgesetzes sicherzustellen.

Artikel 2 – Änderung des Berliner Straßengesetzes

Das Berliner Straßengesetz vom 13. Juli 1999 (GVBl. S. 380), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16. März 2018 (GVBl. S. 186) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1.    Dem § 4 Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Von der Möglichkeit der Teileinziehung soll insbesondere dann Gebrauch gemacht werden, wenn zur Realisierung von Maßnahmen der Verkehrslenkung und Verkehrsberuhigung bestimmte Verkehrsarten auf Dauer von dem durch die Widmung der Verkehrsfläche festgelegten verkehrsüblichen Gemeingebrauch ausgeschlossen werden sollen.“

2    In § 22 Absatz 1 Satz 1 werden nach den Wörtern „Straßen II. Ordnung“ die Wörter „sowie dem übergeordneten, insbesondere touristischen oder überbezirklichen Verkehr dienende selbstständige Geh- und Radwege oder Radschnellverbindungen“ eingefügt.

3    In § 22b Absatz 1 Satz 1 werden nach den Wörtern „Straßen II. Ordnung“ die Wörter „sowie dem übergeordneten, insbesondere touristischen oder überbezirklichen Verkehr dienende selbstständige Geh- und Radwege oder Radschnellverbindungen“ eingefügt.

Begründung zu Artikel 2 - Änderung Berliner Straßengesetz

Übergeordnete Radrouten (Hauptrouten und Radfernwanderwege) oder Radschnellverbindungen sind bezirksübergreifende Vorhaben in der Regel auf Flächen unterschiedlicher Rechtsgrundlagen (öffentliches Straßenland, Grünanlagen, Forstflächen, Privatflächen u.a.). Planung und Bau soll der gesamtstädtischen Bedeutung entsprechend der für Verkehr zuständige Senatsverwaltung übertragen werden, um diese Projekte im Ganzen planen und umsetzen zu können. Durch die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsverfahrens ist zudem sichergestellt, dass die Planung und Umsetzung u.a. mögliche Ansprüche durch die Rechtsgrundlagen der jeweiligen Flächen sicherstellen kann.

Artikel 3 – Aufhebung des ÖPNV-Gesetzes

Das Gesetz über die Aufgaben und die Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs im Land Berlin (ÖPNV-Gesetz) vom 27. Juni 1995 (GVBl. S. 390), das zuletzt durch Artikel III des Gesetzes vom 19. Juni 2006 (GVBl. S. 576) geändert worden ist, wird aufgehoben.

Begründung zu Artikel 3 - Aufhebung ÖPNV-Gesetz

Das ÖPNV-Gesetz wird inhaltlich vollständig ersetzt durch das Berliner Mobilitätsgesetz gemäß Artikel 1. Es ist gegenstandslos geworden und daher aufzuheben.

Artikel 4 – Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Satzes 2 am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. § 35 Absatz 2 des Berliner Mobilitätsgesetzes tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.

Begründung zu Artikel 4 - Inkrafttreten

Ein Übergangszeitraum zwischen Beschlussfassung und Inkrafttreten ist nicht erforderlich. Das in Artikel 1 gegenständliche Mobilitätsgesetz enthält in seinem § 49 [§ 50] die erforderlichen Übergangsbestimmungen.